Willy zeichnet, Steffi malt

Das kleine Hundekärtchen

In Willys Bildermappe befand sich dieses kleine Kärtchen mit Zeichnungen. Erst habe ich nur das süße Hundchen gesehen – das gefällt bestimmt meiner Freundin, die grade auch ein kleines Hundchen hat, dachte ich und die vielen anderen Figürchen habe ich erst gesehen, als ich die Karte eingescannt habe.

Oh, das ist so schade, das sieht ja keiner! Ich habe die Abbildungen vergrößert und ausgedruckt und angefangen, sie farblich zu gestalten.

Ich hatte nicht mit der Stärke der Emotionen gerechnet, die das ausgelöste. Beim Nachziehen der Striche, die Willy vor- sagen wir mal: 80 – Jahren gezogen hat, kam er mir sehr nahe. Die erste intensive Erfahrung war die künstlerische Erkenntnis, wie gut er zeichnen konnte.

Und das steigerte noch das Bedürfnis, die kleine Käferchen aus dem grauen Versteck ihrer Winzigkeit hervorzuholen.

Das kleine Wespchen nicht zu vergessen…

Der Zirkus

Ich schwanke zwischen Versuchen, in denen ich mich an Willys Linearität annähere und anderen, in denen ich mich mehr zu meiner malerischen Farbenfreude zuneige. Zwischen diesen Polen verbindet sich beiden großen Brocken meines Zwischenreichs zu einem: Die historische Seite und die psychotherapeutische Seite verzahnen sich ineinander, leise surren die Haken des Reißverschlusses ineinander, der meine Seite bisher geteilt hat.

Mit dem Thema angemessenen Tam-Tam klickte das ineinander bei den Zirkusbildern.

Die von mir so bezeichneten Zirkusbilder sind Zeichnungen auf festem Karton – Babbadeckel möchte ich gut münchnerisch sagen -, an einer Stelle ist „5 Fenster“ notiert, was uns auf die Idee brachte, dass Willy plante, die Zeichnungen auszuschneiden und wie auf einer Bühne zu arrangieren und aufzustellen.

Zeichnungen mit schönen, eleganten Frauen, die eine trägt den Zylinder, der bei meinen Manege-Szenen eine zentrale Rolle spielt. Ein dünner Schwarzer mit überdimensionierten Puffärmeln und ein Ziehharmonika spielender Pierrot, daneben dann Tiere: eine Robbe, ein Nilpferd und ein Vogel, der – fast – von mir sein könnte und als erster Versuch auch gleich so leicht gelang wie danach kein Bild mehr.

Im Gegensatz zu meinen „eigenen“ Bildern braucht es hier auf einmal mehrere Versuche, bis etwas gelingen will, immer schwankend zwischen den Polen des Linearen und Farbig-fließenden.

Am besten gelingen die Bilder, die den Szenen aus meinem Zwischenreich am ähnlichsten sind.

Beim Malen hier fielen die Groschen in einem ständigen Pling-Pling. Natürlich der Zylinder, aber das mit Rosen besetzte Kleid ist zweierlei: Es ist das Dornröschenkleid, das erst Eva und 2 oder 3 Jahre später dann ich als Faschingskleidchen hatten. Es hatte zwar ein Oberteil in rotem Samt, das hätte hier nicht gepasst, aber der Rock war aus einem fließendem, schwingenden weißen Stoff, besetzt mit roten Rosen. Weißes Tuch mit Rosenblättern ist natürlich auch das Bild meiner Schwester im Dritten Orden, wo die Pflegerinnen ihr mit weißen Laken bezogenes Totenbett mit roten Rosenblättern geschmückt hatten. Hier rettete mich beim Malen dann das lichte heilende Blau des Wassers.

Manche Bilder gelingen, mit den meisten bin ich noch gar nicht zufrieden. Alleine mit Farbigkeit strahlen sie nicht unbedingt mehr; aber ich überlasse das Urteil hier mal euch. Den Wurm mag ich persönlich sehr gerne, er erinnert mich an einen Wurliwurm. Und jetzt fällt mir ein, wie mein Vater und ich einmal in München in der Fußgängerzone unterwegs waren, Kaufingerstraße meine ich. Da standen wir lange bei einem Straßenverkäufer, der virtuos einen orangenen Wurliwurm zum Leben erwecken konnte. Mein Vater hatte eine große Freude an der Geschicklichkeit des Mannes.

Der Pierrot

Wie schon erwähnt, wurde auch hier mir die Qualität seiner Zeichnung so richtig erst beim Nachzeichnen bewusst. Und erst wollte er gar nicht bunt werden, nur einen Tupfer rot am Schuh. Aber dann entstand die Verbindung zum Großen Finale und es brauchte noch eine weitere Version mit Dr. Sigismunds buntglänzenden Streifen. Statt der Trommel nun eine Quetschkommode (die natürlich zu dem Akkordeonspieler Willy viel besser passt), und statt dem Weglassen des Gesichts, mit dem ich meine Unfähigkeit, Gesichter zu zeichnen verborgen habe, haben wir jetzt hier die Maske des Pierrot.

So treffen Willy und ich uns über die 65 Jahre hinweg, die uns trennen, im Zirkus wieder.

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