Ich sitze auf dem Boden in der Küche in den offenen Flügeln der Terrassentüre: Der Hintern in der Küche, die Füße draußen auf den Holzbohlen der Terrasse. So wie ich früher als Teenager gerne gesessen bin. Vor mir ein Fußabstreifer, auf dem einer meiner Perlohrringe liegt. Ich könnte einen verlorenen Schatz gefunden haben, entweder den unechten passenden Ohrring oder die echte Perle, dich ich nicht trage, weil sie nicht gut sitzt. Die Deutung ist mir wieder ganz simpel und Dr. Sigismund gibt mir die Wahl zwischen „Gans“ und „Simpel“ und schon sehe ich eine Gans vorm Teich spazieren. Sie frisst die Algen-Platscharis, die ich gestern aus dem Teich rausgefischt hatte. Dann watschelt sie zur Steintreppe, die am Haus vorbei runter in den Hof führt, dreht immer wieder den Kopf, fordert mich auf, ihr zu folgen wie mein Kater, wenn er mich die Treppe runterlockt, damit ich ihm die Terrassentüre öffne zur Mäusejagd.

Ich folge „dem Sigismund seiner Gans“ und es endet damit, dass ich ratlos mit ihr im Hof zwischen dem Traktor, den Anhängern und anderem Gerümpel herumstehe. Ich drehe mich mit der Gans im Kreis, bis mein schönes KTM-Fahrrad in mein Gesichtsfeld rückt. Na dann! Erst setze ich die Gans – vielleicht ist sie eher ein schön bunt schimmernder Enterich? – in den Korb auf dem Gepäckträger, aber da kann er ja nix sehen. Also Umzug nach vorne in den Korb an der Lenkstange, mit einem bequemen Kissen ausgepolstert. Dann bin ich auf einer Fahrradtour – ähnlich wie mein alleiniger Ausflug nach Altenglan kurz zuvor, nur radle ich wieder auf den Wegen meiner Kindheit im Münchner Westen zwischen Aubinger Lohe und Autobahnsee. Die Entengans und ich fahren an einem Bahndamm entlang, zur Linken ein mit Gräsern und Wildblumen durchsetztes Weizenfeld, dahinter ein dunkler Tannenwald. Rechts geht eine Unterführung ab, feucht, dunkel und moosig, auf die andere Seite der Bahn, ich bin schon halb drin, da überlegen wir’s uns anders und radeln am Feld entlang, dann am Wald entlang, bis wir mitten durch ein voll blühendes Sonnenblumenfeld fahren zu leichter, genauso sonniger, luftiger Hippie-Musik. Wie Alexandre, der Lebenskünstler, in meines Vaters Lieblingsfilm. Ich bin in unaussprechlicher Tiefe ergriffen von der Schönheit dieser Szene und weine die allertiefsten Tränen der Erlösung. „Hm, die Stunde ist vorbei, Frau Bacher.“, „Das war eine sehr schöne Fahrradtour, Herr Sigismund“. „Ja, jetzt ist sie leider zu Ende, jedenfalls für uns gemeinsam.“