Bilder zum Buch – die weißen Flügel


Die erwachsene, heutige Steffi bekommt ein E-Bike und auf meiner ersten Rundfahrt über die Hügel, die das Glantal einrahmen, merke ich bei einer flotten Abfahrt, dass die Lenkstange locker ist. Ich fahre vorsichtig weiter, vielleicht bilde ich es mir nur ein? Dann unterbreche ich doch meine Fahrt und probiere es im Stehen aus und sie ist wirklich locker.

Vorsichtig fahre ich nach Lauterecken, nur um festzustellen, dass auf dem Land die Baumärkte am Samstag um 14 Uhr schon das Wochenende eingeläutet haben. Dort bekomme ich kein Werkzeug mehr, um meine Lenkstange doch noch in sichere Gefilde zurückzuführen. Ratlos stehe ich da und schaue mich um.

Da stehen zwei Fischer-E-Bikes geparkt an der Straßenlaterne und kurz darauf kommt auch ein älterer Herr (mindestens fünf Jahre mehr aufm Buckel als ich!), der sieht so wohlorganisiert aus, der hat Werkzeug dabei, da bin ich mir sicher. Mehr noch, er freut sich sichtlich, dass sein schönes Inbus-Set endlich mal nützlich sein kann, und hilft mir freudig, der Lenkstange die benötigte Festigkeit zu verleihen. Dabei unterhalten wir uns und wie bei fast allen Menschen, mit denen ich ins Gespräch komme, überfalle ich auch ihn mit meiner Krankheitsgeschichte. Er bleibt ungewöhnlich ruhig, die meisten kann ich innerlich weghüpfen sehen, wenn ich „metastasierter Brustkrebs“ sage.

Er zeigt auf mein nun verkehrssicheres Rad und sagt: „Das hilft ihnen, wieder ganz gesund zu werden.“ Als ob das ginge, denke ich und gleichzeitig: Das ist ein Doktor. In der darauffolgenden Nacht trägt er im Traum dann den weißen Arztkittel und es wachsen ihm Engelsflügel, als könne er mit seinen Worten wirklich eine Heilung herbeiwehen. Ich möchte diese Flügel malen und als ich sie aufs Aquarellpapier gebannt habe – mit Silberfarbe dekoriert, damit sie sich vom Papier überhaupt ein bisschen abheben –, fehlt ihnen die Mitte. Dort möchte der Schaschlik-Spieß hinein, ebenso glitzernd.

So erweitert das Malen meine Traumszenen und neue Bilder entstehen, während ich noch damit beschäftigt bin, das Geschehene aufs Papier zu bringen. Die Gewalt einer Schreckens-Szene wird in eine glitzernde Stütze umgeformt. „Sind das richtige Flügel oder Lungenflügel?“ fragt mein Mann, als er das Bild sieht, und so fügt sich eine weitere Dimension dazu, die körperliche. Auch meine dunkle Moder-Lunge wird weiß und glänzend.

(Buch, S. 180f)

Schaschlik-Spieß mit weißen Flügeln

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