
[habe ich schon erwähnt, dass mein Opa als Dekorateur auch schöne Schriften gelernt hat?]
Augsburg, den 12. I. 20
Liebe Luise!
Der erste Schritt ist getan. Bin hier eben angekommen, Temperatur angenehm, aber naß. Etwas Seekrankheit und Furcht vor der Fremdstadt, aber dieses Zimmer hier heimelt mich so an, daß alles wieder vorüber ist. Nur kalt ist es. Eben fährt die Tram vorbei und ich betrachte sie; kommt mir ganz nach Augsburger Art vor; sieht nämlich noch ganz nach Kleinstadt aus. Eigentlich wird Dich das alles wenig interessieren, aber weißt schon, ich finde an allem was zu kritisieren. Gestern um diese Zeit saßen wir gemütlich im Hubertusheim und amüsierten uns über Dilledantendramaturken, war im übrigen ganz nett. Wollte Dich heute noch um 5h abholen, da mein Zug erst um 5 35 ging, aber meiner Meinung nach ist es so besser. Denn am Bahnhof Abschied nehmen ist meistens tragischer Art und das wollte ich vermeiden. Hier muß es ganz schön zu schlafen sein, unter den Klängen der Carmenouvertüre einzuschlummern ist mir bisher noch nicht vergönnt gewesen. Im Hotel ist erstes Streichkonzert, morgen große Tanzreunions’. Es kann aber noch so schön sein, mich lockt es nicht an. Vielleicht werde ich durch längeres Reisen vergnügungssüchtig aber bis jetzt bin ich noch sehr schüchtern und ernst. Wenn Du einige Zeit für mich übrig hast, so bitte ich Dich, mir ein kleines Briefchen, oder es darf auch eine Karte sein, ich bin damit auch schon zufrieden, zu senden. Ich bin voraussichtlich bis Samstag hier. Du kannst ruhig an meine jetzige Adresse schreiben, da mir im Falle einer vorherigen Abreise meine sämtlichen Briefschaften nachgesandt werden. Also, ich freue mich jetzt schon, von Dir wirklich und wahrhaftig einen Brief zu bekommen. Denn man darf es ja für eine Ehre schätzen, von Dir sowas zu erhalten. Ich bin es doch wert, nicht wahr? Aber, lb. Luise strenge Dich nicht an, es genügen schon einige Zeilen, nur daß ich weiß, daß Du es bist, von dem der Brief kommt. Wenn ich nach jemand Sehnsucht habe, so bist es Du. Bei Dir kann ich nach geistiger und seelischer Erholung rufen und ich finde sie. Du hast mich bisher noch immer verstanden. Aber ich will das jetzt beiseite lassen, freue mich nur, daß ich Dich gefunden habe, und daß Du das edle Wesen warst, das ich schon seit meinen reiferen Jahren suchte. Wollte Dir noch eine Freude machen; nämlich das Simphoniekonzert in der Tonhalle, was Du schon lange mal hören wolltest, fand heute abend statt, wofür meine Mutter 2 Billets hatte, als ich sie fragte, ob sie gehe, war sie nicht dazu bewegen, und mittags hatte sie die beiden Billets schon einer ihrer Kolleginnen abgetreten. Dafür ein andermal. Nun, lb. Luise, grüße ich Dich recht herzlich, und erwarte, daß Dich der Brief bald findet, und ich den Deinen bald lese, und fühle Dich nicht verlassen, ich bin bei Dir. Bleibe gesund und froh
Dein treuer lieber Gustl
wenn es erlaubt ist küsse ich Dich im Stillen.
Entschuldige dem Bleistift, ich bin auf Reisen und die Schrift, lesen kann man sie hoffentlich.
Augsburg, 14. I. 20
Liebe Luise!
Inzwischen wird Dich mein erster Brief schon erreicht haben, hoffentlich bei gutem Mut, Deinerseits. Mit meinem Geschäftsgang bin ich sehr zufrieden, habe in den 2 Tagen fast 300.- Mark, abzüglich der Spesen 200 Mark rein verdient. Also kannst Du verstehen, daß es mir so paßt, nur traurige Miene mach ich den ganzen Tag; ich möchte bei Dir sein; ganz allein u. Dir erzählen, oder mich unterhalten, von Kleinigkeiten sprechen, ganz gleich wie, wo und was nur bei Dir möchte ich sitzen und mich erholen. Ich sehe es erst, wie schwer es mir fällt allein zu sein, da ich es jetzt nicht mehr gewöhnt bin. Ich sitze schon seit 7 h abends hier im Speisezimmer meines Hotels und schreibe, rechne u. lese, sodaß ich jetzt schon ganz Kopfweh habe; Bin froh, wenn ich in meine Klappe komme. Nur die Musik vom Konzertsaal nebenan muntert mich immer auf und verscheucht meinen Schlafanwandel. Es ist jetzt ¾ 10 h und da soll ich noch an meine Mutter, an die Firma und zu Löwentritt schreiben, der wartet nämlich noch immer auf mich und meint ich sei krank. Also, Dein Brieflein ist fertig, lieber würde ich Dir noch einen schreiben als an die andern. Lebe wohl und sei herzlich gegrüßt
von Deinem Gustl
N.B. Einen Kuß.
Augsburg, den 16. I. 20
Liebes Luiserl!
Hatte mich gefreut, heute von Dir Post zu erhalten, aber es war umsonst. Hast Du noch nicht geschrieben? Kommst nicht dazu, was? Ich glaub es Dir gern. Zuhause ists peinlich und im Geschäft ebenfalls. Wenn Du schon nach Augsburg geschrieben hast, das macht nichts, denn es wird mir ja nachgeschickt. Entschuldige die Schrift aber es geht in der Eile, und da schmier ich immer so. Tinte habe ich leider keine. Was machst Du denn immer? Habe eben meiner lb. Mutter geschrieben, daß Du sie mal besuchen wirst, und das Ihr dann zusammen ins Kintopp geht. Ist’s Dir recht, es wird Dir doch nichts ausmachen.
Vielleicht mal Wochentags Abend oder Sonntag Nachmittag, nicht wahr? Hier stehen einem sehr viele Vergnügungsettablissement zur Verfügung, aber ohne jemand, der sonst mit mir sowo hingeht ist nicht schön. Fahre morgen mit dem D-Zug nach Nürnberg, da in Augsburg nichts mehr zu tun ist. Hoffe in Nürnberg auch gute Geschäfte zu machen.
Vielleicht ist der Zugverkehr noch ganz eingestellt, dann muß ich in Nürnberg sitzenbleiben. Wenn Du zu Familie Grabmeier kommst richte viele Grüße von mir aus, hauptsächlich an Herrn Grabm. ich würde ihm gute Besserung wünschen. Wie geht’s ihm denn? immer noch gleich?
Gestern war ich sehr traurig gestimmt, wirst an meinem Brief sehen. Gruß auch an Frl. Horetzky u. Frau Mama, sowie an Frl. Frieda, geh doch mal mit ihr fort. Sie ist sehr gut und man kann sich geistig unterhalten. Aber natürlich nur meine persönliche Meinung, Dir zu lieb. Ich hoffe daß Du gesund bist und wünsche es Dir, daß Du nicht eventuell liegen mußt. Hast Deinen Hut schon bekommen, ich freue mich jetzt schon auf unser erstes Rendezvous, das wir aber richtig feiern werden, nicht wahr, Du bist doch auch dabei. Nun, Luise, bleib gut und brav, sowie gesund und lese inzwischen meinen Roman, jetzt hast Du ja mehr Zeit, denn jetzt hast Du mich Plaggeist nicht immer am Hals. Herzlich Grüße und Küße
Dein lieber Gustl.
meine neue Adresse ist A. W. Nürnberg, Hauptpostamt, postlagernd.
auf dem Umschlag:
Luise
eigene Angelegenheiten des Empfängers. Finger davon lassen.
Nürnberg, den 17. I. 20
Liebste Luise!
Vor allem herzlichsten Dank für Deinen lieben Brief. Es freute mich, daß Du so schnell auf meinen ersten Brief geantwortet hast, daß hätte ich selbst garnicht gehofft. Betreff den Belästigungen Herrn Lürtzings, kannst Du ihm ruhig einen Gruß von mir sagen, er möchte das beiseite lassen, da ich eigentlich keinen Grund wüßte, weswegen er das meiner Person gegenüber macht, ich bin keine Anny Hausb. Herrn Lürtzing kann es doch ganz gleich sein, wenn Du mir auf meine Briefe antwortest. Das ist nicht mehr wie recht. Laß ihn ruhig den Teil lesen. Ich denke, daß ich ein anständiger Mensch bin, auch Du bist in dem Alter, wo Du, in der Beziehung schon weißt, was Recht und Unrecht ist. Deshalb will ich, und braucht es keine Auseinandersetzung, ich schreibe nur meine Meinung.
Ja Luise, Dir fällt es schwer allein zu sein, es tut mir weh, wenn ich an die schönen Tage denk. Du hast wenigstens Bekannte, auch Deine Angehörigen und bist in München. Ich sitze hier ganz allein und verlassen von aller Welt. Die Stadt ist fremd, fremde Straßen, fremde Menschen und noch dazu diese, mir so unsympathische Mundart, „Nernbercher“ Dialekt. Einen einzigen Bekannten habe ich heute nachmittag gesehen, einen Leutnant vom Freikorps, aber nicht gesprochen; da er in Gesellschaft einer Dame war, wollte ich Ihn nicht belästigen. Wäre heute morgen auch viel lieber nach München, anstatt nach Nürnberg gefahren, aber es geht halt nicht eventuell würde der ganze Zugverkehr eingestellt, und ich sitze wieder ohne Arbeit in München. Bin sowieso schon sehr spät mit der Frühjahrstour dran, sonst würde ich vielleicht das Doppelte verkaufen. Obwohl, bis jetzt könnte ich mich nicht beklagen, habe diese Woche rund 600.- Mk rein verdient, abzüglich meiner Spesen. Gehe nur jetzt recht fleißig zum Zahnarzt, daß Du dann endlich fertig bist. Gar soviel wird nicht mehr zu machen sein. Wenn Du morgen fort gehst, dann wünsche ich Dir recht viel Vergnügen; bis der Brief ankommt wirst Du ja schon wieder in Deinem alltäglichen Dienst gewesen sein. Vielleicht geh’ ich morgen auch in irgendeinen Kino, oder ins Theater. Vor meinem Kino- oder Theaterbesuch werde ich mir die Stadt betrachten.
Ich bin heute sehr müd gewesen, obwohl ich fast den ganzen Nachmittag umhergeirrt bin, aber ohne Interesse an irgendetwas.
Eigenartig ist es hier wohl; diese dicken Türme und Mauern aus alter Zeit stammend, man fühlt sich in die Zeit versetzt, wo Ritter & Knappen noch in Harnisch und gewappnet durch die Tore zogen. Diese hochgiebeligen Häuser mit ihren großen finsteren Eichentoren, daß man meinen könnte, sie müßten sich öffnen, und aus ihnen Ratsherren mit Halskrausen und Bürgersfrauen mit Puffärmel hervortreten, um dem mittelalterlichen Aussehen noch das rechte Bild zu geben. Aber daneben stehen schon wieder Häuserkolosse, nach ganz modernem Stil. Ich werde Dir noch alles mündlich schildern. Die Bahnfahrt dauerte 3 Stunden von Augsburg nach hier. Es war der einzige Zug, der zur Zeit verkehrt. Es war ein D.Zug aus München kommend, aber leider in meinem Abteil kein Münchner. Ein Berliner Fritze, zwei Hamburger Jungens, gegenüber von mir saß ein junges Ehepaar der Carakterisierung nach und links neben mir ein ganz in sich und sein Studium versunkener Stud.med. Er wollte scheinbar seine Aufgabe im D.Zug nach Treuchlingen noch bezwingen, daß er bei Beginn des neuen Semesters wenigstens einen Dunst hat. Mir tat er leid.
Das Ehepaar dagegen nicht so, die waren überglücklich. Sie saß am Fenster und legte ihre Hand schön glatt auf das Aufklapptischchen, damit man Ihren Ehering sehen sollte; mir kam es wenigstens so vor.
Der eine Hamburger kam aus München von seiner Tante. Er schien, noch nicht 18 zu sein, mit seiner Gymnasiastenmütze. Sein Aussehen war ein brutales, aufgeworfne Lippen, schwarzes grobes Haar und eckelhafte hervortretende Augen. Er kam aus dem Essen, wie aus dem Reden nicht mehr heraus. Eine Schachtel voll belegte Brötchen und weiß Gott was noch alles. Er erzählte mir, daß er der erste im Kolleg oder Schule sei, was mich sehr interessierte und noch viel mehr. Er will mir einen Gruß an meine Tante in Hamburg bestellen.
Nun, liebste Luise, schließe ich meinen Romanbrief und hoffe, daß Du ihn in freudiger Stimmung empfängst. entschuldige die schlechte Schrift, ich bin schon müde. Grüße an alle auch Herrn Lürtzing; ich kann ihn sehr gut leiden, er ist mein Freund, aber als Rivale ist er’s nicht mehr.
Auf Wiedersehen herzl. Grüße u. K.
Dein treuer Gustl
Nürnberg, den 19. Januar 1919 [muß 20 heißen!]
Meine liebe Luise!
Eben mit meinen Abrechnungen fertig geworden, will ich Dir noch einiges schreiben. Das ist immer meine schönste Unterhaltung. Der Sonntag gestern war ja entzückend, denn so eckelhafter Laune war ich noch nie, alles was ich tat und sah, war mir zuwider. Vor allem war ich schon zu faul aufzustehen, was dann endlich um 5 h Wirklichkeit wurde. dann ließ ichs mir im Hotel unten gut schmecken, vielmehr wollte mir’s gut schmecken lassen, aber das war leider nicht der Fall. Ein Pfannkuchen, mit einer Serviette, so dünn und papieren, war er schon zu vergleichen, Preis 5.50 mit Kompott, dieses Kompott? Hierauf ging ich mit verpfuschtem Magen 2 Stunden zur Verdauung die Straßen auf und ab, bis ich endlich das Dümmste beging und mich durch die marktschreierischen Plakate, eines Nürnberger Künstlerbrettl, zum Besuche desselben verleiten ließ. Eckelhaft einfach. Diese eckelhaft fränkischen Komiker, ordinär wie der gewöhnlichste Vorstadtpöbel. Da saßen die Leute wie Ölsardinen gepreßt auf- und nebeneinander und konnten sich über die albernen Witz amüsieren und belustigen. Kein Wunder, denn diese Menschen hier, kommen mir alle ziemlich dumm vor. Verzeihe, wenn ich so richte, aber so ganz unrecht habe ich glaube doch nicht. Das war mein Sonntagsvergnügen. Ich hoffe das Deine Unterhaltung eine schönere war, und daß Du Dich nicht langweiltest.
Sandte gestern einen Brief an Dich ab, den ich am Samstag, spät abends, noch geschrieben habe. Ich werde jetzt meine sämtlichen, an Dich gerichteten Briefe nummerieren. Hast Du Herrn Lürtzing die Zeilen lesen lassen? Du bist mir doch nicht böse, wenn ich die Wahrheit schreibe? Es ist besser, dann wird er sich danach richten. Ich hoffe, durch die Ansichtskarte Deinen Großeltern Freude zu machen. Spricht Deine Großmutter noch immer vom Postbeamten? Jetzt denkt sie wohl, sie kann eher was bezwecken, da ich nicht mehr hier bin. Oder hat Sie soviel Tacktgefühl und erwähnt nichts mehr davon? Heute Nacht hat mir von Kowelesky geträumt, grauenhaft. Du warst natürlich auch damit verwickelt. Ich werde es Dir mündlich erzählen, diesen Schauerroman schildern. Es wird ja wohl lang hergehen, bis das möglich ist, da ich jetzt so schnell nicht heimkomme, vielleicht findet sich doch Gelegenheit, mal einen Abstecher nach München zu machen. Von hieraus gehts nach Fürth, dann wieder zurück und dann nach Erlangen Forchheim Höchstätt und Bamberg. Vorerst kannst Du immer noch nach Nürnberg schreiben da mir auf jeden Fall die Briefe nachgesandt werden. Sonst, liebste Luise, gibts nichts von Bedeutung, höchstens Sehnsucht, die muß ich unterdrücken. Bekommst Du Deine Briefe immer ungeöffnet? Ich wills niemand raten.
Viele Grüße und Alles
Dein August
Herzlichen Gruß an alle Deine lb. August

München, den 20. Januar 1920
Liebster Gustl!
Empfange anbei meinen innigsten Dank für Deine zwei Briefe, die ich gestern zusammen erhielt. Auch Großmutter bekam Deine Karte und freute sich wirklich sehr darüber, besonders weil Du ihr eigens geschrieben hast. Vor allem aber möchte ich, bezugnehmend auf Dein letztes Schreiben, Dich in Kenntnis setzen, daß die Geschichte mit Herrn Lürtzing Du falsch verstanden hast, aufklärender schriftlicher Verkehr darüber würde zu weit führen und ich werde Dir bei unserem ersten Beisammensein volle Aufklärung geben, wie es gemeint war. Also bitte sei so gut und betrachte die Sache vorerst als erledigt.
Was die Krankheit des Herrn Grabmeiers betrifft, so danke ich Deiner Nachfrage, es geht ihm seit ganz kurzer Zeit etwas besser.
Für Deine mir aufgetragenen Grüße danke ich Dir ebenfalls und ich werde sie gewissenhaft übermitteln. Samstag Nachmittag holte ich meinen Hut, der ganz wie ausgesuchtes Muster ausgefallen ist. Dann besuchte ich Herrn Grabmeier im Krankenhaus. Von dort aus machte ich noch einen kleinen Abstecher zur Ida. Sie freute sich über mein Kommen und lud mich für Abends zum Tanzen im Salvatorkeller ein. Es war dies eine Veranstaltung von einem Touristenverein und die Herren von der Floßfahrt wären alle zugegen erzählte sie mir. Doch verspürte ich keine rechte Lust hinzugehen, zudem ich mich nicht recht wohl fühlte. Sogar am Sonntag blieb ich den ganzen Tag zu Hause und kam dabei zu Erledigung meiner Arbeit, die es sehr bedurfte. Mit dem Zahnarzt bin ich nun auch fertig. Deinem Wunsche gemäß werde ich Folge leisten und Deine liebe Mutter bei nächster Gelegenheit besuchen. Habe im Dienst eine andere Zeit erhalten von 8 – 12 u. von 3 – 6 Uhr Abend; sonst ist es gleich geblieben. Da es jetzt gleich 3 Uhr ist, so bin ich leider gezwungen diesen Brief hier zu kürzen und ihn zu beendigen. Ich danke Dir hiermit noch einmals für Deine schönen inhaltsreichen Briefe und verbleibe mit vielen Grüßen
Deine aufrichtige Freundin
Luise
Verzeihe bitte den Klecks
Nürnberg, den 22. I. 20
Meine liebe Luise!
Erhielt gestern Deinen zweiten Brief, vom 20. I. 20. und spreche Dir meinen herzlichsten Dank dafür aus. Nun war das also nicht so gemeint von H. L., habe ich es falsch aufgefaßt, ich bin halt etwas empfindlich, besonders wenn man fort ist sieht man alles mit ganz anderen Augen an.
Ich war riesig überrascht, als schon der zweite Brief von Dir kam, das ist ja reizend von Dir, ich war schon der Meinung, daß alle 14 Tage was von Dir kommt, und siehe da es ist anders. Mach nur so weiter, ich danke Dir herzlichst dafür. Freut mich daß Dein Hut so hübsch ausgefallen ist. Laß Dich nur nicht mit den schönen Einladungen von Frl. Ida verlocken, es ist immer eckelhaft, wenn Du so allein bist, denn sie hat Gesellschaft, und Du nicht. Diese Oberhofergesellschaft ist Dir ja auch nicht angenehm. Freut mich, wenn Du meine Mutter besuchst und ihr einige vergnügte Stunden bereitest. Erhielt heute von Ihr einen Brief worin sie schreibt, daß sie auf Deinen Besuch schon wartet, sie meint, so schnell wird das nicht gehen, denn sie ist ja nicht der Gustl. Werde hier am Samstag fertig, dann kommt Fürth. Schreibe aber ruhig hierher, ich mach nach Fürth nochmals einen Abstecher hierher. Und sollte ich schon weg sein, so wird mir die Post nachgesandt. Nach München komme ich leider so schnell nicht. Sei nun herzlichst gegrüßt und laß bald was hören, es freut mich immer herzlichst
Auf Wiedersehen Dein Gustl
Herzl. Kuß.
Laß Dir die Kleinigkeit gut schmecken und mach kein Getöse, wie gewöhnlich
Gustl
Nürnberg, den 25. Januar 1920
Liebe Luise!
Ich warte immer und warte immer, es kommt nichts. Kein Brief, keine Karte, niemand denkt an mich. Du auch nicht——?
Es ist heute Sonntag, wohl für jeden, für mich ist’s keiner. Ich habe immer Arbeit, nur ausschlafen konnte ich mich heut. Sonst geht’s jeden Tag um 12 h ½ 1 h ins Bett und um 7 h ½ 8 h wieder auf und den ganzen Tag reden, daß man abends kein Wort mehr herausbringt. Diese Leute hier sind besonders geschwätzig. Über jeden Blödsinn wissen sie was und können sich unterhalten, dabei schreib ich immer fest auf. Geschäftlich geht’s immer noch gut. Habe hier morgen noch den ganzen Tag zu tun, dann gehts nach Fürth. Wahrscheinlich auf zwei Tage. Wenn Du Lust hast, mir zu schreiben, dann bitte nach Erlangen, Hauptpostlagernd Deine Korrespondenz zu richten.
Sandte gestern ein Packet an Konrad ab, indem ein Brief für Dich beiliegt. Der Hut gehört Herrn Stegerer, ich habe mich im Brief falsch ausgedrückt, und schrieb, H für Herrn Kiermeier, dachte garnicht mehr an den Namen Stegerer. Nun bin ich schon 14 Tage von München fort und wird wahrscheinlich noch länger dauern. Hätte niemals geglaubt, daß ich das fertigbringe. Es ist arg, liebe Luise, das kann man nicht erklären. Man ist immer unstet, aufgeregt, wartet immer auf etwas, das nicht kommt, man weiß nicht, was es ist, ein eigenartiges Gefühl.
Ich mein immer, daß ich es nicht bin, oder es ist ein Traum. Aber es dauert schon zu lange, um es für einen Traum anzusehen. Wenn ich des morgens immer aufgeweckt werde, höre die Dienstmädchens oder den Hoteldiener vorüberlaufen, alles fremd, keine bekannte Seele, immer das gleiche Gekreisch dieser Mundart, das wird einem fad. Da denk ich immer an so Verschiedenes zurück. Will man Kaffee, muß man schon wieder in aller Früh mit fremden Menschen zusammensitzen, und so geht’s den ganzen lieben Tag fort. Verlobt sich Konrad jetzt im Februar? Ich wünsche ihm alles Gute! Denkst vielleicht grad an mich, weil mir die Ohren so summen. Ich sehe Dich eben, mit offenem Haar, molligen warmen Hausschuhen und einen Strumpf stoppend, am Ofen sitzen und Herr L. macht seine provanen Bemerkungen über Mancherlei. Aber das wird nicht der Fall sein, vielleicht schwebst Du grad über ein Wagnerisches Tanzparkett mit einem Kavalier dahin. Ach es ist besser, ich denke nicht daran. Mit ist bisher noch nicht im Geringsten Lust gekommen, zu tanzen. Überhaupt sehne ich mich nach keinem Vergnügen. Jetzt verschwinde ich in meinen Flohzirkus und amüsiere mich vielleicht im Traum. Da bin ich immer in München.
Herzliche Grüße, und in Erwartung eines lb. Schreibens verbleibe ich bis auf’s Wiedersehen
Dein Gustl
München, den 26.I.19 [1920!]
Liebster Gustl!
Ich war sehr erstaunt als ich heute Abend Montag vom Dienst nach Hause kam und von meiner lb. Mutter eine Tüte mit Süßigkeiten und einen Brief erhielt, mit dem Bemerken es wäre beides von Dir. Doch mit dem Briefe erscheint mir ja glaublich jedoch das Andere ward mir ein Rätsel, bis ich den richtigen Sachverhalt erfuhr. Nun danke ich Dir halt _______ herzlichst für Deinen Brief, für die Plätzchen und Schokolade. Weißt Du, ein bißchen muß ich schon schimpfen, schon deshalb weil es Du Kleinigkeit nennst. Nun ist wieder ein Sonntag vorüber ein Sonntag ohne Dich.
Ja gestern, ich gestehe es offen, hast Du mir sehr gefehlt.
War doch das Wetter schon so herrlich wie schon lange nicht mehr. Nachmittag war ich mit Martha und deren Schwester in der Stadt ein wenig spazieren gegangen. Abends ging ich auf Wunsch, zugleich auf Befehl meiner Angehörigen mit schlechter Laune mit ins Ruppertusheim. Großstadtluft. Gespielt haben sie doch muß man sagen, ausgezeichnet, aber sonst hat mir nichts imponiert. Du kennst mich und meine Anschauungen doch. Frau Stegerer sagte sogar öfters ich sei sehr traurig und habe wohl Sehnsucht nach Dir, und sie hatte damit nicht unrecht. Sonntag findet ja die Verlobung statt. Auch Du bist freundlichst eingeladen und Dein Besuch von jeder Seite erwünscht. Aber aus Deinem letzten Schreiben ersehe ich ja, daß meine Freude umsonst wäre. Es wär so schön gewesen, es hat nicht sollen sein. Vielleicht dauert es doch nicht allzu lange, bis uns ein Wiedersehen gegönnt ist. Bin jeden Abend zu Hause und stopfe meistens Strümpfe, wozu ich wirklich jetzt seitdem ich mir sicher bin, daß ein gewisser Jemand nicht auf mich wartet, eine nie gekannte Lust dazu verspüre. War im übrigens seit Deinem Fortsein bei keinem Vergnügen zugegen. Will mir nur einen Wunsch erfüllen, der Dir ja nicht fremd ist und mir doch das Stück ______ im Film ansehen. Der Ida ihr Herr Tänzer, seinen werten Namen habe ich vergessen, spielt nämlich auch eine Rolle in ________, und es ist mir etwas Neues eine bekannte Person gefilmt zu sehen. Du verstehst mich doch wie ich es meine.
Bis jetzt hatte ich jedoch noch keine Gelegenheit meinen Wunsch auszuführen noch dazu warte ich ob wir es nicht doch zusammen ansehen können es wär halt viel viel schöner. Einmal wirst Du doch wieder kommen, oder nicht?
Von Großmutter soll ich Dir viele Grüße und einen nochmaligen Dank für Deine Karte übersenden; die sie zu sehr gefreut hat. Bei uns ist Alles gesund, nur unser nettes Kätzchen, wird diese Woche sein Leben lassen müssen. Sonst gibt es nicht Neues, das von besonderer Wichtigkeit wäre und das Dich interessieren wird. Und doch habe ich Dir noch soviel zu sagen, doch das kann nur mündlich geschehen. Nun aber schließe ich mein Schreiben mit der Hoffnung daß Du meinen Brief bald erhältst und ich bald wieder Nachricht von Dir erhalte, mehr noch aber freue ich mich auf das noch weit in Aussicht stehende Wiedersehen.
Also Gruß und Kuß von Deiner Freundin
Luise
Quer an den Briefrändern:
Werde Dir sobald ich Zeit habe wieder schreiben. die Briefe bekomme ich regelrecht u. ungeöffnet. Jetzt aber Schluß es ist gleich 1 Uhr
Gruß von Lilly.
Was wird wohl Dein Herr Bruder mit seiner jungen Frau machen?
Deine lb. Mutter habe ich noch nicht besucht sei bitte nicht böse.
Fürth, den 27. I. 20
Liebe Luise!
Warte immer, und kommen tut nichts, ist was los, bist Du krank? Hoffentlich nicht. Bin heute eigens nach Nürnberg nübergefahren, um nachzusehen, ob Post da ist, aber alles vergeblich. Habt Ihr mein Packet schon erhalten? Bitte Nachricht. Wie geht’s Dir denn Luise, was hast Du denn am Sonntag gemacht. Über meinen schönen Sonntag hab ich Dir schon in meinem letzten Brief mitgeteilt.
Meine Mutter hat jetzt wieder eine Katze, einen ganz rothaarigen Teufel und noch ganz klein. Warst Du schon bei Ihr?
Hier ist heute scheußliches, naßkaltes Wetter. An einem solchen Tag sehnt man sich unwillkürlich heim. Da kommt dann die Sehnsucht, wenn man so allein herumfahrt, ohne Ansprache nicht rechtes zu essen, lauter so fränkischen Fraß, teuer und nichts dran. Bin heute mit meinem Geschäft in Fürth schon fertig und morgen gehts nach Erlangen. Wenn Du mir schreibst, dann adressiere gleich Bamberg, hauptpostlagernd.
Entschuldige dieses Geschmier, das Licht im Zimmer ist so schlecht und meine Nerven heute sehr abgespannt. Sei nun so lieb und schreibe recht bald und recht lang. In Treue
mit einem Kuß
Dein Gustl
Forchheim, den 28. I. 20.
Meine liebste Luise!
Endlich habe ich Ihn, den lange ersehnten.
Nämlich Deinen Brief. Ich danke Dir recht herzlich dafür. Auch für Deine Opferfreudigkeit, bezüglich der Markenspende für arme Münchner Kinder, innigen Dank. Liebe Luise, Dein letzter Brief hat mich mehr gefreut als alle anderen. Er ist so aus der Seele geschrieben. Nicht Unnatürliches, alles so wahr und echt. Ich sehe, daß Du mich wirklich gern hast, und daß ich Dir nicht gleichgültig bin. Genau wie Du Dich verlassen fühlst, geht es mir auch. Noch dazu in fremden Städten. Am Werktag ist es noch nicht so schlimm, da ich immer ziemlich viel Arbeit habe. Aber der Sonntag, ich kann es immer nicht glauben. Bis diese Nachmittage vergehen, das ist immer scheußlich. Ist das die Regensburger Martha, die bald in den Ehestand treten will, ich mein, ich täusche mich nicht. Die von der Firma Schneider? Ach diese Sonntagsvergnügen und Erholungen, die Dir zuteil werden, sind ja entzückend. Kann mir schon vorstellen, wie angenehm Dir bei solchen Gelegenheiten zumute ist. Leider muß ich Dir mitteilen, dass ich so schnell nicht heim komme, aber wenn, dann bin ich nicht umsonst in München. Dann kommen für mich, wie für Dich, wenn Du es gestattest, Friedenszeiten. Konrad soll mir recht glücklich sein, sowie ich auch seinem Fräulein Braut alles Gute wünsche. Luiserl, weißt was, schau Dir den Film, wenn Du meinst, daß er in München nicht mehr gegeben wird, doch baldmöglichst an. Denn ich denke bis ich komme, ists doch nimmer möglich, ihn zu sehen. Vielleicht kann ich ihn, in Bamberg oder sonst irgendwo sehen, dann können wir bei unserem Wiedersehen darüber einander erzählen. Ich suche mir dann den bewussten Filmschauspieler und Linkstänzer schon heraus. Das ist doch der vom Hackerkeller. Die Köchinnenschönheit mit dem gelockten Haar. Wie meinst Du denn das, mit dem, einmal wirst Du doch wieder kommen, Du denkst wohl, ich hätte Lust ein halbes Jahr auszubleiben? Nein, das kann mir niemand zutrauen, es genügen schon 6 Wochen. Ist das schon zuviel. Freue mich schon auf das Viele, was Du mir, erzählen wirst. Ich bin die ganze Zeit so ungeduldig und nervös, am liebsten wäre mir, wenn man die ganze Tour in 2 Wochen machen könnte. Anstatt dass ich München näher komme, geht’s immer weiter davon weg. Aber nur nicht verzagen, es wird schon kommen. Du musst bitte, entschuldigen, dass ich schlecht schreibe, lesen kannst es wohl. Jetzt werde ich mir meinen Bleistift spitzen, so jetzt geht’s gleich besser. Bin heute morgen von Fürth nach Erlangen gefahren, dort kein Geschäft gemacht, aber fein, viel und gut gegessen. Eine wunderschöne, saubere Stadt. Universitätsstadt. Da gibt’s junge Männer, Studenten ganze Mengen. Männer, von 16 bis 30 Jahre, gehen mit ihren Corpsmützen am Ohr, in Paaren gereiht, wie Schulbuben von einer Anstalt in die andere. Die Straßen sind wunderschön gerade, mit glattem Pflaster und niedlichen Kleinstadthäusern. Die Fahrt von Fürth nach Erl. war grauenhaft. Gottlob nur 25 Minuten mit dem D.Zug. Alles gesteckt voll, bis an die Türe, und da sollte ich noch hinein und mein Handkoffer. Ich setzt mich also in Bewegung, wie ein Krebs nach rückwärts, der Stationsdiener klappte die Türe zu und ich stand mit einem Fuß auf den Zehenspitzen, der andere in der Luft, damit ich den anderen Personen nicht auf die Füße trete. Ich glaube, meine Stellung, war die eines Balettänzers ähnlich, nur meine Miene nicht. Von Erlangen nach Forchheim konnte ich sitzen. Morgen geht’s nach Bamberg. Hoffentlich nicht wieder auf eine solche Art. Die Gegenden hier sind wunderschön, nur alles schrecklich überschwemmt, sogar Landstraßen unter Wasser. Die Bäume, der Straßenalleen schauen oft nur zur Hälfte aus dem Wasser. Windräder treten hier schon sehr häufig zum Vorschein man sieht, dass man immer mehr dem Norden zukommt. Die Sprache wird hier angenehmer, nicht mehr diese gewöhnlichen Großstadtdialekte, wie in Nürnberg. Näheres werde ich Dir noch bei unserem Zusammensein schildern. Erhielt die Tage von meinem Bruder Willy einen Brief, dass sie sich beide in ihrem Ehestand sehr wohlfühlen und dass ich herzlichst eingeladen bin. Mein erster Besuch soll zu ihnen sein. Kommst natürlich erst auf mich an, wo mein ersten Besuch hinführt. Hackerbrücke. Eines Tages wird die Luise in aller Gemütlichkeit vom Dienst in meine Arme fallen. Aber dann. – Das mit dem Besuch ist nicht so schlimm Luise, wenn Du Zeit hast, per Gelegenheit, nur einen Abstecher, so von der Ida weißt schon, kannst dann mal nach der Schwiegermama sehen sowie nach ihrer neuen, zweiten, rothaarigen Tochter. Meine Frau Mama hat nämlich wieder eine Katze, und das sind immer ihre Töchter. Bezüglich der Schwiegermama, nichts für ungut. Freut mich, daß die Briefe immer ungeöffnet an Dich gelangen, soll auch weiterhin der Fall sein.
Nun, erwiedere alle Grüße und sage, ich laß vielmals danken. Deiner Mama, sowie Herrn Lürtzing und Deinen lb. Großeltern viele Grüße extra. Konrad kriegt keinen, weil er mich vor lauter Verlobung vergisst. Deinen letzten Satz erwiedere ich herzlichst und vielmals. Du weißt doch noch, wie er heißt?
Nun, ohne mehr für heute, herzlichen Gruß; in Erwartung eines beiderseitigen frohen Wiedersehens grüßt Dich nochmals herzlichst
Dein Gustl.
München, d. 28. I. 20.
Lieber Gustl!
Wie Du weißt, findet kommenden Sonntag die Verlobung statt. Ich wußte immer nicht, was ich geben sollte bis mir Deine schönen Weingläser in den Sinn kamen. Vielleicht wärst Du so freundlich, nur gleich das mir schreiben, will nämlich auf für mich solche haben. Hast Du meinen Brief schon erhalten.
Verzeihe Schrift schreibe im Geschäft. Den 7. Brief habe ich _____ ___ anderen Tage- bzw. Stunden u. ___________ _________ weg ändern.
Schreibe mir auch ob Du im Februar auch noch nicht kommen willst. Gefällt Dir diese Karte. Die Wirklichkeit wäre schöner oder nicht?

Bamberg, 30. I. 1920
Liebste Luise!
Danke Dir herzlichst für Deine lb. Karte. Erhielt sie heute von Erlangen nach Bamberg nachgesandt. Das Geschäft für Weingläser ist in der Millerstraße, wenn Du vom Sendlingertor aus hingehst, auf der linken Seite. Es wir ungefähr No. 30 sein. Es ist ein Laden mit einem Schaufenster hauptsächlich Glassachen führend. Solang halte ich die Sache nicht aus, dass ich im Februar auch nicht komme, Mitte Februar auf jeden Fall. Ganz wie die Geschäfte gehen. Da wird mir ganz weh zumute, wenn ich diese Karte ansehe. Nach dem Tanzen selbst sehne ich mich nicht, aber —————-.Hoffentlich wird’s bald. So wär’s nichts immer fort sein. Ich schreibe Dir hier sofort auf Deine Karte, aber Du wirst sie doch zu spät erhalten. Bamberg ist direkt lächerlich, mit diesen Trambahnen, wie kleine Kinderwagen, die kann man mit einer Hand schieben. Sonst ist es ganz angenehm hier. Fahre abends wieder weg nach Schweinfurth und dann nach Würzburg. Wenn Du mir schreibst, dann bitte nach Würzburg, Hauptpostlagernd. Entschuldige die Schrift, ich schreibe hier im Wartesaal. Ohne mehr Neuigkeit für heute grüßt Dich herzlichst und küsst Dich
Dein Gustl.

Würzburg, den 1. Februar 20.
Liebste Luise!
Inzwischen wirst Du meinen Brief aus Bamberg schon erhalten haben, bis Dich diese Zeilen erreichen. Herrliches Wetter hier und die Umgegend, wie auch die Stadt wunderschön. Das Ganze liegt in einer Thalmulde, ringsum von semetrisch eingeteilten Weinbergen umgeben. Eine Pracht. Hier muß es im Herbst paradiesisch sein. Möchte, daß Du hier wärest, und daß wir alles zusammen sehen könnten, allein ist es nicht schön. Ich bin ganz lakanisch. Muß mir immer Mühe geben, überhaupt für irgendetwas Interesse zu haben. Ich seh’ es wohl, daß dieses und jenes schön ist, aber freuen kann ich mich nicht darüber. Hatte in Bamberg einen ganzen Nachmittag für mich frei, da ich im Vormittag mit meinen Kunden schon fertig war. Benützte diese Zeit, um einen Spaziergang zu machen. Kaum 10 Min. Weg, dann ist man am Stadtende angelangt und sieht die Regnitz mit ihren Ruder- und Schleppbooten vor sich liegen. Links des Ufers, hügeliges Land, mit Obstbäumen bepflanzt, rechts davon, Laubwälder mit kleinen Lichtungen, aus denen die silberschimmernden Stämme von kleinen, jungen Birkenbäumen hervorblitzen. Eichkätzchen sausen durch die Büsche, und auf steile Baumstämme, daß man sie nur immer auf Momente erblicken kann. Das war eine Erholung, körperlich und seelisch. Doch fühlt man sich sowo noch mehr verlassen, als irgendwo im Trubel fremder Menschen. Nach 1 ½ bis 2 Stunden Weg’s gelangt man an eine Bootsfähre, so wie in Pullach, wenn Du noch weißt. Fuhr also auch mit. Ich hätte am liebsten geweint. Alles kam mir in Erinnerung von damals, die erste Zeit unserer Bekannt- und Freundschaft. Ich wußte gar nicht, wie ich hinüberkam, so war ich im Gedanken versunken, bis der junge Fährmann, mich durch seine helle Stimme von meinem Träumen aufweckte und seinen Lohn forderte. Ich war hier an einem Ausflugsort angelangt, mit einem zierlichen Kirchlein um das sich ein armseliger Gottesacker mit kleinen Kreuzen und Hügeln herumzog. In der Ferne sah man Bauernhöfe u. Obstgärten liegen, zu denen sich kleine Weglein dahinschlengelten, die aussahen, als wollten sie garnichtmehr aufhören. Vor mir stand ein Cafè. Ich ließ es nicht lange warten um mich aufzunehmen. Als ich ging, war es bereits dämmerig geworden, mußte also schaun daß ich heimkam. Jetzt war mir ja wieder wohler zumute als vor meinem Cafèbesuch. Schon die guten Sachen für das leibliche Wohl und noch etwas. Etwas, das ich schon lange gesucht hatte. Ein „Klavier“. Ich ließ meinen Cafe kalt werden, konnte nicht solange sitzen bleiben, vor diesem anreitzenden Ding und es nur ansehen, sondern – und siehe da, nicht nur ich allein hatte mich gefreut, da tanzte nach meinem Spiel schon ein Paar. „Ein Walzer muß es sein. Und ich mußt zusehen.
Ich hatt einmal ein Schätzchen Zuhaus
das führt ich des Sonntags zum Tanze aus
„Ei das war schön.“
Ich hab es ja noch, dieses Schätzchen und führs auch wieder aus. Immer noch einen und so weiter. Zwei Stunden spielte ich also und die Beiden wurden nicht müd: Zum Schluß kam noch ein Foxtrott, den sollte ich ihnen doch zeigen, wie der ging. Sie die Kassierin, erzählte mir, wenn sie nur den richtigen Tänzer hätte, dann wären ihr diese neuen Tänze eine Kleinigkeit. Ich sollte bis zum Abend hierbleiben, da kämen noch mehr, von den Nachbarsorten, da könnten sie sich dann gut austanzen und amüsieren. Ich mußte aber den Abend noch mit dem Würzburgerzug wegfahren, also mußten sie ohne Musik ihren Tanz fortsetzen. Um mir meine gute Laune nicht zu verscherzen zeigte ich ihr einige Teile, oder wie Fräulein Erna G. sagt, einige Auszüge vom Foxtrott. Es war zum Zerreisen, diese Figuren, die ich ihr vormachte, und sie nachmachte. Eine schöner, wie die andere. Er wollte es auch probieren, allem Anscheine nach war er das Gespusi, also wollten sie’s zusammen lernen und ich konnt’ ihn selbst nicht. Es war natürlich doch zu schwer, besonders, wie ich es ihnen vormachte. Ich ging also, von beiden mit allen guten Wünschen versehen, nach Bamberg zurück und ließ sie bei ihren Übungen alleinig. So oft ich an diese Szene denk muß ich lachen. Das sind ganz amüsandte Erlebnisse. Diese Kassierin war so Art, wie die Lene von Dorfen, die damals im Hackerkeller dabei war. Und er, der Herr Hausbursch, paßte ganz dazu, beide vom Land, von der Bamberger Gegend. Ich fuhr also abends weg nach Schweinfurt, wo ich am andern Tag gleich wieder, nach guten Geschäften um 9 h abends weiter nach Würzburg reiste. Kam also gestern abend ½ 12 h hier an. Wie ich ins Hotel gehe, stehen zwei Schutzleute beim Portier und führen ein ganz junges Bürschchen an der Zange zur Türe hinaus. Er tat mir sehr leid, hatte so unschuldig ausgesehen und man konnte sehen, daß er ganz ängstlich und aufgeregt war. Ich kann ihn nicht losbringen, immer und immer sehe ich ihn wieder vor mir. Ich fragte heute morgen, was der angestiftet hatte, worauf ich erfuhr, daß er schwer geschoben hatte, hauptsächlich gestohlene Sachen. Also kann man sich nach dem äußeren Aussehen nie trauen, einen Menschen als ehrlich anzusehen.
Ich konnte die ganze Nacht nicht recht schlafen, obwohl ich erst um 2 h ins Bett ging und bis um ½ 3 h leste. Um 5 h bin ich aufgestanden, um mich zu waschen, das half dann, zuerst hat’s mich so gefroren, dann wurde ich so warm, daß ich endlich einschlief, ganz tief und ohne Traum als ich aufwachte war’s 10 h. Ging auf die Post, um nachzusehen, ob nicht jemand an mich gedacht hat, aber nein, niemand mit Ausnahme meiner Firma; Von der bekam ich einen Brief, mit allen möglichen Preiserhöhungen und mit der Mitteilung, daß morgen Geld kommt. Habe bisher schon beinahe 1000 Mk. gebraucht, aber schon gut das Doppelte verdient. Lebe dabei vorzüglich. Das Diener zu Mittags kostet für gewöhnlich 5 bis 7 Mk. Heute, z. B. war ich so satt, daß ich für heute abend nichts mehr brauch. Es ist jetzt grad 5 h, ich schaute eben zum Fenster hinaus, wohne direkt gegenüber vom Bahnhof, in einem sehr schönen Hotel im dritten Stock. Man sieht die Menschen ganz klein, wie Hampelmänner die Weinberge herunterkommen und der Stadt zueilen. Wird wohl die Verlobungsfeier grade im besten Schwung sein und alles am ovalen Tisch, in Konrads Zimmer, sitzen und gemütlich plaudern. Nur ich kann nicht dabei sein. Nun, liebe Luise, ende ich mein Schreiben und hoffe, daß Du Dich für heute gemütlich unterhalten hast. Sei herzlichst geküßt und gegrüßt und freue Dich mit mir auf ein Wiedersehen.
In Treue Dein Gustl.
Recht viele Grüße an alle Deine Lieben und Bekannten Dein Gustl.
München, den 2. II. 1920.
Lieber Gustl!
Samstag erhielten wir eine große Menge Korrespondenz von Dir. Es waren dies zwei Karten u. zwei Briefe. Nun sage ich Dir im Namen meiner lb. Mutter u. Großmutter ihren verbindlichsten Dank. Ich aber danke Dir noch extra, denn die Briefe waren ja für mich bestimmt u. gehörten mir allein. Der Eine abgesandt aus Forchheim und der Eilbrief. Ein gewöhnlicher Brief hätte auch genügt, denn so eilig wäre die Sache dann doch nicht gewesen.
Habe die Angaben Deines Schreibens genau beachtet und somit das Geschäft gleich gefunden; doch die Hauptsache die Gläser nicht erhalten, da sie schon verkauft waren. Ich gab mich dann mit einem Ersatz derselben zufrieden.
Für meinen Bedarf, nahm ich keine. Nachdem dies geschehen, es war gerade ungefähr 4 Uhr ging ich in die Thalkirchnerstr. Nummer 14, 4. Stock, ich weiß nicht ob Du das Haus kennst, daß Spaß beiseite denn es war sehr ernst mein Weg war vergeblich, ich sah daß die Hauptperson des Hauses fehlte. Ich ging also traurig und unverrichteter Sache weiter. Doch das Schicksal schien es auf mich abgesehn zu haben, denn schon am Anderen Tage, also Sonntag war für mich ein Gang beauftragt, der mir nicht angenehm, mehr jedoch noch peinlich war. Ich hatte mich den Anordnungen meines Herrn Bruders zu fügen, nun und da sein Verlobungstag war, wollte ich nicht so sein, und erfüllte seinen Wunsch, wenn auch sehr ungern. Mußte kurz nach Mittagstisch zu Deinem Herrn Bruder fahren um ihn, sowie seine Frau für die Feier einzuladen. Du kannst Dir denken wie mir zumut war, da ich ohne vorherige Anmeldung kommen mußte. Ich werde Dir schon mündlich alles auseinandersetzen. Nun gut Dein Herr Bruder öffnete mir und ich hatte beide kurz von der Verlobung Konrads unterrichtet. Dein Herr Bruder jedoch konnte seine Zusage nicht geben, da er anderweitig schon versprochen hatte. Nachdem ich Abschied genommen fuhr ich nach Hause.
Ich kam gerade recht unsere Gäste zu empfangen, die Dir teils nicht fremd sind. Es waren noch zwei Schwestern von Anni zugegen, von welchen die Jüngere einen Spruch sagte. Später kam noch ein Sohn von Frau Stegerer, welcher jedoch nicht lange bleiben konnte und sich dann entfernte und die beiden Mädels nach Hause führte. Das Ganze war wirklich sehr unterhaltend und gemütlich. Selbst Großeltern dachten nicht ans Bettgehen, obwohl sie in der Früh noch ganz anderer Meinung war u. sagte: Zu solche Leute muß ich kommen, muß das noch erleben und prophezeite uns daß sie um 7 Uhr ins Bett gehen würden; doch es kam anders, denn sie gingen drei ½ Stunden später. Sodann waren wir so recht ungestört und wurde ________ schön. Wir waren noch sieben Personen, Frau Stegerer, Kirmayer Sepp, Anny und wir. Frau Stegerer konnte ihr Bedauern gar nicht oft genug aussprechen, über das Fehlen Deiner Person, sie sagte sie hätte Dich so gern, und Du wärst so gut u. anständig, was ich gerne bestätige. Wir haben oft einigemale mit den Weingläsern auf Dein Wohl angestoßen, was ich nur zu gerne tat.
Auch eine Flasche Sekt gab Konrad zum Besten. Die Stimmung hatte den Höhepunkt erreicht. Du wirst staunen wenn ich Dir noch berichte, habe 5 ganze Zigaretten geraucht, was für mich schon was heißt. Bald war es 12 Uhr und wir hatten die letzte Flasche Wein entleert. Die Gesellschaft war endgültig aufgebrochen. Auch ich erhob mich, aber oh weh, die Füße versagten mir war schon bei mir, wußte Alles nur ein bißchen taumelig. Also nun aber Schluß, sonst wird Dir nachträglich noch schwindlig, ist zwar kein Wunder, wenn Du meinen so recht verfaßten Unsinn ließt. Also nimm mir ihn nicht in Übel und es grüßt Dich recht oft herzlich und innig
Deine Freundin Luise.
Auf Wiedersehen im Februar
Quer an den Rändern:
Bitte Briefe vernichten.
Entschuldige betreff Bleistift u. schlechter Schrift Es ist ½ 11 Uhr.
Wünsch Dir angenehmes Reisen
Ein Zitherspieler war zugegen
Wenn Du im Februar kommen willst, dann bitte eher Ende Februar, werde Dir im nächsten Briefe schreiben weshalb. Wenn Du kannst auf wie lange? Einen Tag?
Beim Sekt ließen wir Alle Dich hoch leben.
Bist Du mir brav?
Reicht mein Brief?
Mit so schönen Ansichtskarten kannst Du Dich nicht ___________
Gehe morgen mit Fr. Stegerer, Anny u. Konrad in „Bettelstudent“.
Herr Lürtzing sowie Konrad haben sich einen hübschen Schreibtisch angeschafft.
Nachfeier wenn Du kommst.
Würzburg, den 3. II. 20.
Liebe Luise!
Hoffe, daß mein letzter Brief schon in Deinen Händen ist.
Hatte heute schon vor Dir einen Brief erwartet, aber es war nicht der Fall, ich hatte umsonst gehofft, nur von Deinem lb. Bruder kam endlich mal eine Nachricht. Hatte mir Freude gemacht. Wenigstens etwas war von Dir daran. „Schweinfurth“ – war das Erkennungswort. Hast Du Dich am Sonntag gut amüssiert, hatten sie wohl wieder ihre Vorträge gemacht. Ich wünschte mir, daß Du hier wärst und Dir auch vergönnt sei, das alles mitzuerleben und zu sehen, wie schön es hier ist, Heute war es direkt eine Pracht. Dieses Wetter, wie im Süden, wo die Orangen und Zitronen blühen. Man konnte ruhig ohne Mantel gehen. Diese Abenddämmerung, ganz dunkelrot mit violetten Streifen und davor die Weinberge, jetzt in ihrem braun, die zartgrünen Wiesen von dunklen Wäldern umkränzt. Ich stand vor einer Stunde ungefähr an der Mainbrücke und konnte mich von dem Anblick garnicht trennen. Dieses Gefühl des Fremdseins packt einem da unwillkürlich. Da stehe man so allein in dieser schönen weiten Welt, und kann sich nicht aussprechen. Es könnten einem Tränen in die Augen kommen, aber Mut muß man haben, es wird schon wieder anders werden.
Bin heute in Würzburg fertig, nach sehr guten Geschäften. Heute nacht bleibe ich noch hier. Morgen sitze ich schon in aller Früh um ½ 6 h im D.Zug nach Ochsenfurth. Da gehts dahin. Fahre meistens bei nacht, die Züge sind nämlich nie so voll, wie am Tag.
Auf die Erlebnisse von morgen bin ich gespannt. Besuche nämlich einen Freund meines Bruders, den er vom Militär herkennt. Wo die Hochzeitsreise von Willy und Liesl hingeführt hat, muß ich doch auch hin und da muß ich mit einer Landpost fahren. So wie im Mittelalter, mit einem Pferdepostwagen. Vielleicht kann ich dort Geschäfte machen. Wenigstens eine bekannte Seele. Am nächsten Tag führt mich meine geschäftliche Tour nach Aschaffenburg. Ich gedenke, daß Du Deine schriftlichen Sachen einstweilen dorthin adressierst, weil ich mich dort längere Zeit aufhalte, einige Abstecher mache und dann wieder zurückfahre um dann nach Ansbach zu fahren. Also auf eine Woche, kannst Du schon rechnen. Erhielt heute von meiner Mutter einen Brief, sie wird auch schon ungeduldig weil ich nicht kommen. Hatte am Samstag für mich angetragen, aber umsonst. Ob mich jetzt das Reisefieber gepackt hat, schreibt sie und ob ich das Zigeunerleben schon gewöhnt bin. Wenn sie Gelegenheit hätte würde sie gleich auch mitfahren. Jetzt wird die Sehnsucht immer stärker, heimzufahren. Aber ich muß bleiben, es ist nicht zu ändern, was zu späth bestellt wird, hat keinen Zweck mehr, da es sonst nach der Kommunion und Konfirmation eintrifft und mindestens schon 2 Wochen vorher geliefert werden muß. Ich hätte im Ganzen noch ein gutes Monat zu schaffen. Nun, ich hoffe, daß ich München bald näher komme und damit auch öfters heim komme – Ich grüße Dich nun herzlichst und küsse Dich, als Dein treuer Freund und Verehrer Gustl.
Gruß an Alle. Schreibe bitte, bitte bald.
Würzburg, den 4. Februar 1920.
Liebste Luise!
Dein Brieflein vom 2. 2. 20 ist heute angekommen Herzlichsten Dank dafür. Da muß es ja ganz fatal hergegangen sein, bei dieser Verlobungsfeier. Bezüglich Deines Besuches bei Willy, kann ich mich leicht in Deine Situation versetzen. habe heute nichts zu arbeiten und muß doch hier bleiben, da ich Geld erwarte und bis jetzt noch nicht eingetroffen ist. Liegt gewiß noch in Bamberg; bis sich diese Herrn Beamten mal bemühn, es nachzusenden, kann man Plattfüße kriegen. Also hattest Du einen Weinrausch. Das wundert mich wirklich, daß bei Dir sowas vorkommt. Ich trink hier täglich Wein. Bier bekommt man sehr selten und dann nur abends. Dafür ist der Wein nicht so teuer wie in München und sehr fein, das wird man ganz gewöhnt. Die ersten Tage war ich immer etwas müd aber nach und nach gewöhnt man das auch. Heute habe ich wieder Klavier gespielt, geht noch immer. Mein erstes ist immer der schöne Walzer „Dahin sank all mein Glück.“ Ich danke Dir, sowie auch allen Anderen für Euer, auf mich ausgebrachtes Hoch. Habt Ihr wohl vor lauter Hochtrinken zuviel erwischt? Der Zitherspieler wird wohl Herr Huber gewesen sein. Das wär was für Willy gewesen, den kann er doch nicht leiden. Willy sagt immer, der mit seiner Knödlstimme. Obwohl, mir ist er nicht unsympathisch. Aber ich wenn wieder komme und Du rauchst nicht, oder ich darf nicht rauchen, dann wehe, sollst Du mich kennen lernen. Soviel rauch ich teilweise nur an einem Tag. Nun, wir werden schon sehen. Warum soll ich Deine Briefe vernichten? Liebe Luise, die sind so aufgehoben, daß niemand darüberkommt und noch dazu, kann das und darf das jeder lesen, was Du mir schreibst, aber es kommt schon niemand dazu. Im übrigen, was machst denn Du mit den meinen? Also nicht für ungut, wenn ich etwas derb in meinem Schreiben bin, es kommt vom Herzen. Wenn es mir möglich ist, richte ich es so ein, daß ich Ende Februar in München und in der Schwanthalerhochebene erscheine. Ich glaube, daß ich den Grund schon erraten habe, warum ich am Ende des Monats kommen soll. Wohl wegen dem Tanzen, das wird scheinbar vorher nicht gehen? Nicht wahr, so ist es richtig. Du verstehst mich. Vielleicht dann zwei oder drei Tage. Habe sowieso Verschiedenes für Privat und Geschäft zu erledigen, da sind 2 bis 3 Tage schnell vorüber. Besonders wenn man zuhause ist, hier dauert ein Tag immer unendlich lange. Heute ist’s etwas nebelig hier und kälter als die letzten Tage. Warum soll ich denn nicht brav sein? Ich hab doch einen starken Willen und kann mich, wenn’s drauf und drum ankommt, in jeder Beziehung beherrschen. Noch dazu sind mir fremde Menschen immer unsympathisch, gleich, welcher Art sie sind. Jetzt geh ich nochmals auf die Hauptpost und sehe nach, ob das Geld schon da ist, laß mir’s nämlich telegraphisch anweisen. Zugleich gebe ich diesen Brief hier auf, das ist der Zweite, der heute an Dich geht. Schaue auch gleich, ob keine Post eingelaufen ist, wird aber umsonst sein, da heute erst ein Brief angekommen ist. Höchstens die Karte von Konrad, für die ich im Voraus gleich bestens danke. Sei nun herzlichst, innigst und vielmals gegrüßt und geküßt von Deinem
Gustl
Grüße an Alle. „Auf Wiedersehen.“
Samstag, d. 7. II. 1920
Liebster Gustl!
Habe kürzlich drei Briefe erhalten, den 8seitigen als ersten, den v. 4. II. u. 3. II. Ich danke Dir also herzlichst dafür. Habe nämlich den Brief v. 4. II. eher erhalten als den in Konrads Briefe beigelegten. Es freut mich wirklich sehr, daß Du immer soviel Zeit für mich übrig hast und mich mit deinen Briefen erfreust. Wie Du schreibst Du glaubst den Grund zu erraten, das geb ich schon zu, denn es ist ja nicht schwer, doch ganz recht sollst Du mit deinen Vermutungen auch nicht haben, wenn Du glaubst, es wäre wegen dem Tanzen. daran habe ich wahrhaftig nicht gedacht. Es ist mir einzig u. allein nur darum zu tun, daß ich Gesund bin, bei einem Wiedersehen mit Dir denn es ist ja nicht wie früher, daß wir uns alle Tage sehen und schwatzen können. Auch darfst Du annehmen, daß mich Deine Reiseerlebnisse nicht mehr interessieren,, als alles Andere. War ich doch seit Deinem Wegsein bei keinem Vergnügen mehr zugegen, trotz der vielseitigen Einladungen, die ich hatte. Im übrigen brauchst Du auf mich keine Rücksicht nehmen komme nur ruhig wie es Dir Dein Beruf und Deine Zeit vorschreibt.
Willkommen bist Du mir ja jeder Zeit, freue ich mich doch Heute schon auf unser Wiedersehen.
Ich wollte, ich könnte Dir auf deinen Reisen eine Begleiterin sein u. all das Schöne mitansehen u. miterleben. doch nimm es nicht so schwer, es ist allein auch ganz schön, wenn nicht, so stehen Dir gewiß genügend Mittel zur Verfügung, diesem Übel abzuhelfen. Du verstehst doch?
Also nichts für ungut nur sei nicht böse. Es ist jetzt gleich 1 Uhr und Büroschluß. Habe diesen Brief im Geschäft geschrieben, da ich gerade keine besondere Arbeit hatte. da es also Zeit zum nach Hause gehen ist, so beendige ich mein Schreiben und grüße Dich recht herzlich
als Deine kleine
Freundin Luise.
Werde Dir Montag wieder einen Brief senden, um Dir die Verbringung des Sonntags zu schildern.
Verzeihe Schrift!
Auf Wiedersehen.
Bad Brückenau, den 11. II. 20.
Liebste Luise!
Vor allem, meinen innigsten Dank für Deinen Brief vom Samstag den 7. II. 20. sowie für die hübsche Karte vom Sonntag den 8. II. 20. Entschuldige, daß ich Dir erst heute schreibe, aber es liegt nicht an mir. Bei meinem Erholungsaufenthalt in Eßfeld ging es unmöglich. In meinem Zimmer hatte ich kein Licht und in der unteren Stube waren den ganzen Tag die Kinder um mich herum. Gestern abend fuhr ich um 10 h von Aschb. weg und war die ganze Nacht auf der Fahrt. Noch dazu das meiste auf einer Kleinbahn. Keine 10 Minuten geschlafen und dann den ganzen Tag jetzt arbeiten. Ich bin jetzt so müde, daß mir alle Augenblicke die Augen zufallen. Sandte an Euch alle ein Karte von Eßfeld aus. An Dich sandte ich gestern von Asch’b. ab ein Packet mit etwas Gehamstertem. Hoffe daß es Dir schmeckt, und daß Du es schon hast, bis Dich diese Zeilen erreichen. Morgen komme ich wieder nach Aschfb. zurück und hoffe, daß ich ein Brieflein von Dir vorfinde. Das versprochene, vom Sonntag. Nun, Luischen, schließe ich mein Schreiben, gute Nacht, ausführliches folgt, wenn ich wieder gut beim Zeug bin.
Herzlichen Gruß und Kuß
Dein Gustl
Marktbreit, den 15. II. 20.
Liebste Luise!
Deinen Brief vom Montag den 9. II. 20. erhalten. Ich sage Dir meinen herzlichsten Dank. Entschuldige, wenn ich so wenig von mir hören lasse, es ist nicht meine Schuld, denn zur Zeit habe ich soviel zu tun, daß ich mir meine Zeit für private Arbeiten immer erstehlen muß. War heute wieder die ganze Nacht auf der Fahrt und habe noch nicht geschlafen. Um 6 h früh fuhr ich von Miltenberg weg, kam um 11 h in Aschaffenb. an um dort um 1 h wieder weiter zu fahren. Heute morgen 5 h gelangte ich wieder in Würzburg an und fuhr dann von dort mit einem Güterzug hierher. Wollte eigentlich heute nach Ansbach, aber Sonntags verkehren ja keine Züge mit Ausnahme von Nahpersonenzüge. Ach, das wird Dich wohl alles wenig interessieren. Aber jetzt komm was Besonderes: Sonntag? Nicht der heutige, sondern der nächste, komme ich nach München, auf jeden Fall. Da heißt biegen oder brechen. Dann kann ich Dir über Alles mündlich berichten. Luise, wie kommst Du auf den Gedanken, daß ich keine Sehnsucht mehr verspüre? Darüber muß ich schon mündlichen Bescheid erhalten.
Bin heute morgen schon 2 ½ Stunden zu Fuß nach hierher gegangen. Beim Dämmern. Zwischen 6 und 7 h. Um ¾ 6 h bin ich von Ochsenfurth weg und kam hier um 8 h sowas an. Da habe ich unterwegs Zeit gehabt, über alles mögliche nachzudenken. Da wirst Du wohl noch warm in Deinem Federbett gelegen haben. Warum schreibst Du denn auf einmal wieder „lieber Freund“? Gefällt Dir das so gut? Mir nicht. Nun ja, Du kannst mir dann mündlich Bescheid sagen, nicht wahr? Also, Luiserl, alles Andere mündlich, es ist jetzt Sonntag 2 h nachmittags und ich geh jetzt ins Bett, und hoffe, daß ich recht süß träume.
Auf Wiedersehen, recht viele, herzliche Grüße
Dein
Gustl.
Entschuldige die Schrift, ich bin so müde.
Viele Grüße an Alle! Vielen Dank an Alle für die Grüße.
Gustl.
Hast das Schweinerne schon erhalten?
Komme diese Woche auch nach „Nördlingen“.
Dienstag, d. 16. II. 1920 (Kanzlei 8 Uhr)
Liebster Gustl!
Du sollst wissen, daß ich Deine Karte erst heute zur Post gebe u. zwar durch unseren Bürodiener, welcher um 9 Uhr zur Post geht und mit dem ersten Zuge weggeht: doch die Hauptsache meiner wenigen Zeilen ist noch Dich zu ermahnen, ja recht vorsichtig bei dem besteigen der Züge zu sein. Du siehst wie besorgt ich um Dich bin. Meine geschäftliche Arbeit drängt, deshalb Schluß und ich grüße Dich vielmals und hoffe daß das Wiedersehen nicht im Traum sein soll. Nochmals Grüße in baldiger Erwartung
Deine
Luise
Kannst Du die Karte lesen
Heilbronn, den 3. III. 20.
Liebe Luise!
Nach langem Fahren in Ansbach angelangt, habe ich gleich ein ganz annehmbares Geschäft gemacht, bin abends um 7 h weiter gereist nach hier eben angekommen und todmüde. Starkes Heimweh – immer wieder der gleiche Gedanke. Aber ist umsonst. So schnell gehts nicht heim. Werde Dir in meinem nächsten Schreiben die genaue Tour meines Reiseziels angeben. Auch so zirka die Zeit, wann ich mich an den verschiedenen Orten befinde. Mein Katharr ist ärger geworden, sowie auch mein Husten. Das Wetter ist wunderbar. Ein Tag schöner wie der andere. Weißt Du schon was Bestimmtes betreff Deines Urlaubs? Bitte teile es mir mit, wenn Du Zeit hast, zu schreiben. Die Trennung ist meiner Mutter diesesmal auch schwerer gefallen, als das Erste mal. Mir ging es ebenso. Es ist halt doch nicht so einfach. Ich hab ihr Deine Uhr noch übergeben. Zugleich sagte ich ihr auch wegen der Orfeusaufführung, daß sie am Montag acht Tage um ¾ 7 h vor dem Theater am Gärtnerplatz Dich erwarten sollte.
Für heute nicht mehr, ich bin zu müde. Sei recht innig gegrüßt und geküßt, laß bald was hören und freue Dich mit mir auf ein Wiedersehen.
In Treue Dein
Gustl.
Meine nächste Adresse ist Ludwigsburg, Hptpostlagernd.
Ludwigsburg, den 4. III. 20.
Mein liebes Luiserl!
Sandte heute mittag von Heilbronn aus an Dich ein kleines Brieflein. Einen sogenannten Vorläufer. Heute fühl ich mich etwas wohler und habe mich auch von den Strapazen etwas erholt. Hier tut es mir sauwohl, entschuldige den Ausdruck, aber es ist wirklich so. Zum ersten mal, auf meiner Tour, ein geheiztes Zimmer. Alles mit Linoleum und Teppichen belegt, ein weiches Sofa und noch verschiedene Bequemlichkeiten. Das Geschäft war hier nicht so gut, dafür ist der Provisionssatz höher, es ist also nicht so schlimm. Die Zugverbindungen sind hier viel besser und mit Verspätung braucht man nicht rechnen. Alles das wirkt auf den Menschen wohltuend und man sieht sich wieder als Mensch an. Hoffe, daß es Dir gesundheitlich besser geht wie mir.
5. III. 20.
Nun ich habe mein Schreiben gestern nicht mehr beendet. Mir wurde momentan ganz schwindlich, sodaß ich mich angezogen aufs Bett legte und in eine Art von Halbschlaf verfiel. Als ich aufwachte, war’s schon 4h morgens. Diese schauderhaften Träume, die ich inzwischen erlebte, sind nicht zu schildern. Es ist jetzt eben ¾ 1h mittags, um 117 geht mein Zug nach Feuerbach. Ich werde den Brief in Feuerbach abends fertig schreiben. Ich freue mich daß ich dem Ziel immer näher komme und daß so schnell vorwärts geht.
Stuttgart, den 5. III. 20.
Inzwischen in Feuerbach gewesen, nachdem ich die Kunden besucht habe und kein Geschäft gegangen ist, bin ich Nachmittags mit der Stuttg. Vorortsstraßenbahn von dort nach Stuttgart gefahren. In diesen paar Stunden habe ich so viel erlebt, daß es garnicht alles zu schreiben ist. Zirka, um 4 h hier angekommen, bin ich eine Stunde umhergelaufen, um für diese Nacht ein Zimmer zu kriegen. Dabei kam mir ein originelles Erlebnis unter, wenn man es so nennen kann. Eine Dame, so hat sie wenigstens ausgesehen, fragt mich, als ich schon am 4. Hotel auf der Suche nach einem Zimmer war, ob ich auch kein Zimmer bekomme. Ich antwortete nein, aber in diesem wäre eins mit zwei Betten frei, ob sie vielleicht einen Herrn kennen würde, der mitschlafen würde, da mir allein 16 Mk zuviel sind. Sie antwortete, nein, aber Adressen hat sie da, wo man noch Zimmer kriegen könnte. Ich ersuchte sie hierauf, mir dieselben zu geben, das tat sie auch. Ich bedankte mich und wollte gehen. Da sagte sie, ich könnte ihr meinen Koffer geben, denn er wird mir wohl zu schwer sein, sie wohne hier in dem Hotel und da könnte ich denselben abholen. Die Sache kam mir verdächtig vor und ich ging mit ihr in das eben verlassene Hotel; fragte, ob die Dame hier wohne, worauf ich natürlich die Antwort erhielt, nein. Da war sie inzwischen schon verschwunden. Ich verfolgte sie bis zum Bahnhof und sagte, sie soll mitgehen, ich würde sie auf der Polizei anzeigen. Nun kam die Reue. Jammern und weinen, Krokodilstränen kamen dabei zum Vorschein sie habe doch nichts Schlimmes gemeint. Mir war es der Arbeit zuviel, sonst hätte ich dieses Frauenzimmer schon an die richtige Stelle geführt. So geht’s einem, wenn man in der Fremde ist. Ein Beispiel, wie schlecht die Menschen sind. Meine liebe Luise, sei mir froh, daß Du daheim bist, für ein Mädchen ist es noch viel schlimmer, fort zu sein, als für einen Mann. Da lauern in allen Ecken und Winkeln die Laster und Gefahren der Großstadt und sehen einem mit lieblichen Lächeln an, bis man die Wahrheit erfährt und sein Unglück einsieht. „Fahre lieber nicht in die Schweiz.“ Ich meine Dir’s gut. Abends besuchte ich den Bruder des Herrn Gauß. Wurde herzlich und mit Freude aufgenommen, war bis ½ 11 h dort und soll morgen abend zum Essen kommen, ebenso auch am Sonntag. Ist mir garnicht unangenehm, wenn man etwas Anschluß hat, so gibt es mehr Unterhaltung. Sehr angenehme und feine Leute. Er ist 59 Jahre und seine Gemahlin 55. Ein kleiner Junge mit 10 Jahren, ihr Enkel, das Kind ihrer in Steyermark verheirateten Tochter ist ihre einzige Gesellschaft. Also kann man es bei solchen Leuten schon aushalten. Das Hotel wo ich hier wohne, ist mir sehr unsympathisch, sowie auch das Zimmer. Wenn ich morgen was anderes bekommen kann, geh ich weg von hier. Auch ist es für dieses wenig gebotene sehr teuer. 10 Mk. und nicht geheizt, kein Sofa und schlechte Beleuchtung. Ach jetzt bin ich schon bald froh, wenn ich mit meiner Tour fertig bin. So rentabel wie Anfangs ist es auch nicht mehr, und es ist doch schön, wenn man so an der Hackerbrücke steht und sich auf ein Wiedersehen freut. Wenn nur die Freude nicht umsonst ist, daß Du das Nächstemal mir gegenüber ganz fremd bist. Also, ich will das Beste hoffen. Ich denke wir sehen uns vorher noch woanders. Weißt Du schon was bestimmtes? Werde so zirka zwischen 20. und 25. März in Ulm und Günzburg sein. Geht ganz so, wie ich geschätzt hab. Alles Andere, wenn’s bald möglich ist, mündlich. Bitte, schreibe auch mal was. Ich danke Dir jetzt schon dafür. Sei nun recht herzlich gegrüßt, lebe wohl bis auf ein Wiedersehen. Viele Grüße an Alle. Nochmals Gruß und Kuß
Dein
Gustl.
Die nächste Adresse ist:
AW. Schwäbisch Gemünd
Hauptpostlagernd.
Auf Wiedersehen!
Sonntag, den 7. III. 1920.
Dein erstes Brieflein habe ich erhalten Samstag, ich danke Dir herzlich dafür. Es sind nun schon wieder acht Tage seitdem Du fort bist. Wie doch die Zeit vergeht. War heute Früh bei Deiner Frau Mamma.
Habe wunderschöne Plätze bekommen Parkett Sperrsitz 1. Reihe. Freue mich hauptsächlich auf Musik von Orpheus. Freitag Abend wurde mir ein Hochgenuß zu teil, war mit Lina bei Frieda eingeladen und Frieda spielte wundervoll mein längst ersehntes Stück Serenata von _______ . Während sie spielte, so weich rann ein ungewohnter Schauer durch meine Glieder, ich hätte stundenlang es hören können und träumen. Ach Du glaubst nicht, wie mir zu Mute war so seelig und doch so traurig. Am liebsten wäre es mir gewesen, Du hättest der Unterhaltung beiwohnen können. Es ist immer noch prachtvolles Wetter. Auch heute so schön und warm wie vorhergehender Sonntag. Nachmittags habe ich Strümpfe eingeräumt, auch ein bißchen geflickt. Jetzt ist es 8 Uhr abends, trinke nebenbei meinen Kakao, muß nämlich bald ins Bett gehen und noch eine Bluse für Morgen bügeln u. einen Kragen darauf nähen. Wird Dich wenig interessieren, was? Aber ich weiß sonst nichts Neues. Höchstens die Schuhe von Lina bekomme ich nicht, es ist sehr leichte Ware, nur schön fürs Auge. dafür besorgte mir Herr Lürtzing Schäfte gelbes Kalbsleder kräftig auch sehr schön, etwas hell, aber es würden ein Paar ganz feine Stiefel wie er sagt. Bis Ostern sind sie fertig, wenn er nicht kränker wird, er war Samstag sowie Heute gelegen.
Wie Du schreibst gehts so schnell nicht heim. Nun ja, bis Ostern wirst Du denn doch kommen. Außerdem hoffe ich auf ein anderweitiges Wiedersehen, Du weißt doch. Allerdings kann ich Dir ja Bestimmtes über Verlauf meines Urlaubsplanes noch nicht mitteilen.
Wird hoffentlich einigermaßen nach Wunsch ausfallen. Wünsche Dir nun recht gute baldige Genesung Deines Katarrh u. Husten und verbleibe unter vielen herzlichsten Grüßen
Deine treue Freundin
Luise
Quer an den Rändern:
Verzeihe bitte vielmal Schrift, habe außerordentlich schnell geschrieben.
Recht viele Grüße von Konrad und von alle Anderen.
Grüße von Frieda.
Recht gute Nacht und gute Reisen.
Geschäftszeit dauert sehr lange.
Auf Wiedersehen auf der Reise. Komme bestimmt.
Habe auch große Sehnsucht nach Dir, es war doch zu schön.
Gruß u. Kuß Luise
München, Montag, d. 9. III. 1920.
Liebster Freund!
Meinem Versprechen gemäß, sende ich Dir den zweiten Brief. Nun ist es also doch anders gekommen, als ich gedacht habe. Ließ mich ausnahmsweise verleiten, den Einladungen zum Tanzen für Samstag, sowie Sonntag Folge zu leisten. Lina war es, die es fertig brachte, daß ich meine Zusage für die Veranstaltung des bayr. Verkehrsbeamten-Verein gab. Sie fand Samstag Abend im Bürgerbräukeller in Laim statt. Frl. Frieda, Erna und Anton war dabei. Auch ein Verwalter und Sekretär von den Stadteisenbahnen waren zugegen, was mir ein bisschen peinlich betreffs Tanzen war. Du weißt doch wie eigen ich bin, bei solchen Gelegenheiten. Abend fuhren wir dann mit dem Zuge nach Hause. Hatte mich mit Frieda am besten unterhalten, während ich mit Erna in jeder Beziehung Ärger ausgestanden hatte. Wenn Du es wünschst, werde ich Dir den Hergang mündlich schildern. Ich ging also nicht wie sonst, in rosiger Laune ins Bett. Der folgende Tag, also Sonntag, brachte mir ebenfalls keine sonderliche Freude. Aus meiner Karte wirst Du ja ersehen haben, wo ich war. Wollte eigentlich gar nirgends hingehen, doch ich hatte es der Ida schon 8 Tage versprochen, nochdazu schickte sie Vormittags ihren Bruder mit einem Schreiben zu mir, in welchem sie mein bestimmtes Erwarten ankündigte. Es war also schon zu spät, die Sache rückgängig zu machen. Ida und ich gingen nun allein ins Wagner. Fragte sie was mit ihrem Tänzer sei, doch ach, damit traf ich unbewußt eine gar arg wunde Stelle. Denn Ida, sie hat auch kein Glück in der Liebe, sie war so stark bewegt, daß sie von ihm gar nicht sprechen konnte, sie sagte nur, was vorgefallen wäre, würde kein Mensch erfahren. Da ich sah, wie sie litt drang ich auch nicht weiter in sie, mich in ihr Vertrauen zu setzen. Sie hatte den sehnlichsten Wunsch Herrn Oberhofer hier zu treffen und er sollte nicht ungestillt bleiben, denn er war später wirklich noch gekommen. Auch er war überrascht, Ida allein zu sehen und gab durch Fragen seine Verwunderung kund. War es der Schmerz des Verlorenen, oder die Anteilnahme Oberhofers an ihrem Geschick, Idas Beherrschung war vorbei, sie fing an zu weinen. Nur mit größter Mühe gelang es uns Beiden, sie einigermaßen zu trösten. Ja, es ist nur einmal häßlich eingerichtet, daß bei den Rosen gleich die Dornen sind. Hoffentlich hast Du schönere Stunden, als ich erlebt.
Wie geht es Dir mit dem Essen? Wir haben zur Zeit wieder sehr schlechtes Brot. Ach es ist gar nichts mehr in München. Fühle mich nie recht wohl und werde täglich häßlicher. Brauchst gar nicht lachen und zweifeln, es ist purer Ernst, selbst Irma sagt, ich hätte schon ein Loch in den Backen und ich werde so mager wie Konrad. Ja es wird schon so gehen, daß Du mich bei Deiner Rückkehr nicht wieder erkennst. Also gell, jetzt verspürst Du auch keine Sehnsucht mehr nach mir. Noch was, die Karte für Familie Kiesl und Rittler ist angekommen, besten Dank dafür. Bei Oberberger Kaufhaus sah ich neulich einen neuen Dekorateur. Viele Grüße von Mama, Herrn Lürtzing, Konrad, Großeltern und Familie Stegerer. Vor allem aber grüßt Dich Deine Freundin mit der Freude, Dich bald selbst begrüßen zu dürfen.
Nochmaligen Gruß
Luise.
Untertürkheim, den 10. III. 20.
Meine liebe Luise!
Verzeihe, daß ich solange nichts von mir hören ließ. Aber ich wartete täglich auf eine Antwort oder Nachricht von Dir. War eben in Stuttgart, um nachzuschauen, ob etwas angekommen ist und den Nachsendungsantrag zu stellen, aber nicht dagewesen. Hoffe morgen abend oder übermorgen früh in Schwäb. Gmünd Post zu erhalten. War in Stuttgart täglich in Gesellschaft bei Familie Gauß. Am Sonntag hatten wir einen kleinen Ausflug in die Stuttgarter Umgegend gemacht. Schade, daß uns ein Teil davon verübelt wurde, denn es dauerte keine Stunde, so war das schöne Wetter beim Teufel und regnete ununterbrochen fort. Eben habe ich gespeist, tadellos. Schweinsripperl mit Kraut und Bratkartoffel. Ich bin wirklich satt. Wollte, daß es Dir auch vergönnt sei, solche Sachen zu bekommen. Habe mit dem Wirth schon gesprochen, ob man nicht ein Stück von der Sorte in roh erhalten könnte, aber es läßt sich nichts machen. Es reicht gerade zu seinem Bedarf aus, seiner Erklärung nach. Ich lasse oben gleich zwei Zeilen aus, gegenüber und neben mir sitzt eine Fabrikantenfamilie, die sich scheinbar für meinen Brief sehr interessieren, deshalb lege ich nicht die ganze Seite auf. Im Zimmer kann ich nicht schreiben, da es zu kalt ist. Heute habe ich wenigstens wieder ein Schlafquartier, gestern mußte ich in Cannstatt im Hotel im Nebenzimmer übernachten. Zirka 5 – 6 Personen in einem Zimmer, für jeden Mann ein Sofa und eine Decke. Ich danke sehr, in der Früh ist man müder, als wenn man sich schlafen legt. Mit tut jetzt das Kreuz noch weh. Und dafür muß man 5 Mk. bezahlen. Ich bestelle jetzt, bei Möglichkeit mein Zimmer telefonisch voraus. Hier ist die Not noch größer wie in Bayern. Warst Du am Montag im Theater? Wie hat’s Dir denn gefallen? Schreib mir doch Einiges, mich freut es immer so, wenn ich recht, recht viel zu lesen habe, in Deinen Briefen. Bis jetzt ist ja noch keiner da, aber hoffen tue ich doch, daß einer kommt. Wann wird denn das erste Wiedersehen sein? und wie? Hoffe das beste. Wenn die Geschäfte bei mir mieß sind, so ist immer meine einzige Hoffnung, daß ich ja wieder heimkomme. Da hat man am meisten Sehnsucht nach seinen Lieben. Weißt Du was betreff den Sprenger? habe nämlich auch von meiner Mutter noch nichts erhalten. Die Brotmarken sind schon seit zwei Tagen alle. Ist Konrad noch immer so verrückt mit seiner berufsmäßigen Theaterausstattung? Ich wünsche ihm nur daß er bald vernünftig wird. Wenn er wirklich Talent hat, nicht heiraten und auf die Flimmerbühne gehen, oder ein sittenreiner braver Ehemann werden. Eins vom beiden. Die Wahl soll er selbst ausführen. Wie geht es Dir jetzt eigentlich geschäftlich? Kannst Du bleiben? Hoffentlich! Sonst gehst mir noch durch in die Schweiz, bevor ich heimkomme; Ich sitz dann allein in München und hab das Nachsehen. aber so schnell und so schlimm wird’s nicht kommen. Auf jeden Fall sehen wir und noch, wo, das wird erst bekannt gegeben. Deinerseits? Heute ist das Wetter wieder schlecht und scheußlich-kalt. Also, zirka am 20. 25. in Ulm. oder Gbg. ich komm auch nach Ichenhausen, das ist auf der Strecke Gbg. – Krbch. Du verstehst? Für heute Schluß, ich muß auch noch an die Firma, und an Willy schreiben. Sei herzlichst und innigst gegrüßt und geküßt
Dein
Gustl.
München, d. 13. III. 20.
Lieber Gustl!
Inzwischen Deine Karte und Brief vom 10. III. 20 erhalten, besten Dank dafür. Ich war sehr erstaunt, als ich las, daß Du von mir noch keine Post bekommen hast. Habe Dir sogar gleich Deinen ersten Brief beantwortet den ich damals ich glaube es war Freitag erhielt und eigens Sonntag einen 4seitigen Brief für Dich nach Ludwigsburg addressiert habe. Von Dir bekomme ich dann eine zweite Nachricht, nämlich der lange Brief, den ich Dir ebenfalls durch eine Karte nach Schwäbisch Gmünd beantwortet habe. Da freut mich das Schreiben gleich nicht mehr, wenn Du denkst ich hätte Dir überhaupt noch nicht geschrieben und Du von mir keine Nachricht bekommst. Nun ja, vielleicht bekommst Du die Karte noch, da Du doch noch nach Schwäbisch Gmünd wieder kommst. Habe Dir auf der Karte einen ausführlichen Brief versprochen, nun und das will ich ja auch halten, wenn gleich der Inhalt ein ganz anderer geworden als ich gedacht habe. Ja, was kann sich doch in ein paar Tagen alles ändern. Es war gerade Mittwoch Nachmittag, ungefähr ½ 5 Uhr als mir durch einen Herrn Sekretär bekannt gegeben wurde, daß mein Dienst bei der Güterstation Mü.Hbf. erledigt sei und ich müßte am selben Tage noch bei der Eisenbahndirektion anfangen. Herr Direktionsrat sagte als ich ging, ich möchte nur bald wieder kommen, er bräuche mich sehr notwendig, dann nahm ich von Alle Abschied, was mir bei Manchen nicht leicht war. Nun gings zur Direktion, ein bißchen bange wards mir doch, obgleich ich keine Furcht verspürte. Mir wars momentan nur um das Vorstellen u. die vielen fremden Menschen zu tun. Doch dies war bald erledigt u. ging schneller als ich gedacht.
Ein Herr Verwalter führte mich in mein neues Büro. Es ist ein hübscher Raum, alles sehr sauber, ein richtiges Gegenstück zur Güterstation. Außer mir sind noch 2 Personen im Büro, eine Dame u. ein Kriegsbeschädigter. Auch eine andere Bürozeit habe ich jetzt und zwar von 7 – 12 Uhr & von ½ 3 bis 6 Uhr. Nicht gerade angenehm, aber immer noch nicht schlimm. Nun das wäre alles recht u. schön gewesen, wie man sagt, wenn ich die Nacht auf Donnerstag nicht krank geworden wäre. Ich wußte wohl daß ich Donnerstag meine Regel bekommen würde, aber daß ich diesmal so krank würde, davon hatte ich natürlich keine Ahnung – habe mich nämlich verkältet, denn wir haben seit gut einer Woche Schnee hatte einmal nasse Füsse bekommen & dann kamen die Folgen. Die ganze Nacht hindurch konnte ich nicht schlafen und am Morgen bekam ich solche wahnsinnige Schmerzen, daß ich nur immer geschrien habe, Mama helf mir, helf mir. Ich weiß gar nicht, daß ich es nur ausgehalten habe, solche Schmerzen kann man gar nicht schildern und so arg mußte ich sie bisher auch nicht aushalten. Doch dies war noch nicht genug, zudem war mir noch so schlecht, mußte den ganzen Vormittag noch brechen, wenn auch nur Wasser, denn ich hatte ja nichts im Magen. Und ich sollte doch richtig zum erstenmal Dienst bei der Eisenbahn machen. Bei diesen Zuständen war es jedoch völlig ausgeschlossen, meinen Dienst zu versehen. Du kannst Dich vielleicht selbst in meine Lage ein wenig hineindenken und kannst verstehen wie peinlich u. arg es mir war, daß es ausgerechnet an diesem Tage so kommen mußte. Meine Mutter ging dann selbst zur Güterstation um mich zu entschuldigen, denn ich bin nur aushilfsweise zur E.D. gekommen. Von dortiger Stelle erhielt meine Mutter den Bescheid, ich müsse mich bei meinem zuständigen Bahnarzt Dr. Rud. Schmid Hofrat melden, damit ich nicht geschädigt bin, und für die Tage wo ich außer Dienst mein Krankengeld beziehen kann. Gottlob ging es mir Freitag besser und konnte zum Arzt gehen und mich für Samstag gesund schreiben lassen. Heute war ich wieder im Dienst und habe mich schon ganz schön eingewöhnt. An Samstagen dauert der Dienst von 7 Uhr bis ½ 1 Uhr. Es kommt jetzt noch was, auf die Nachricht wirst wohl schon lange warten. Mit meinem Urlaubsplan ist es nichts, denn wir bekommen vorraussichtlich gar keinen, wenn keine Verlängerung betreff unseres Bleibens eintrifft. Auf ein Monat solls ja verlängert werden die Kündigung, nur so zu, man gewöhnt alles mit der Zeit, sogar eine immerwährende Kündigung. Mußt also schon nach München kommen, wenn Du Sehnsucht hast nach mir. Habe mich schon zu sehr auf ein Wiedersehen mit Dir in der Fremde gefreut. So geht es immer wenn man sich schon vorher freut. Herr Lürtzing ist heute nach Nürnberg gefahren. Denk nur, meine gelben Stiefel sind schon fertig passen fein, er hat sie mit der Maschine in seiner Fabrik machen lassen, sind natürlich viel schöner geworden, als wenn er alles mit d. Hand gearbeitet hättet, so bringt er es doch nie fertig und hat keine Mühe dabei. Jetzt glaube ich wirds aber genügen habe noch Verschiedenes zu besorgen. Hoffe also, daß Dich mein Brief recht bald erreicht und grüße Dich recht oft und herzlich und in Erwartung auf ein baldiges grüßt u. küßt Dich nochmals
Deine
Freundin Luise
Quer an den Rändern:
Großmutter dankt Dir vielmals für Deine Karte und läßt Dich grüßen.
Wenn Du unverhofft kommen solltest, dann bitte nicht vergessen Eisenbahndirektion
Ist Dir dieser Brief lang genug ?
Wurde immer gefragt ob ich noch nicht bald fertig.
Konrad hat mit Fleiß gesungen, damit ich nicht schreiben konnte
Fühle mich noch nicht besonders wohl, das wirst Du aus meinem sehr zerstreuten, ____________ Schreiben merken u. bitte Dich deshalb um Entschuldigung
Gruß von Mama u. Konrad.
Brotmarken habe ich leider keine, wenn dann werde ich an Dich denken. Auf Wiedersehen.
Was Urlaub anbelangt, so tröste Dich nur, hätten auch nur von Krumbach aus zusammen fahren können wenn so gewesen, daß ich einen bekommen es wär ja schön gewesen, aber vielleicht wirds noch schöner einmal. Es hat nicht sollen sein.
Auf Wiedersehen.
Morgen ist Sonntag, werde den ganzen Tag zu Hause bleiben & auch früh ins Bett gehen, damit ich mich wieder erhole. Was wirst Du tun?
Gib mir bitte, wenn möglich Antwort auf diesen Brief.
Seh nur zu, daß Du mit Deiner Tour bald fertig wirst, dann können wir richtigen Ostern einholen, wenns schön Wetter wird und einen kleinen Ausflug machen, er wäre schon schön _________?
Ansichtskarte von Sigmaringen mit Schloß
Sigmaringen, 14. III. 20.
Liebe Luise!
Sitze hier in einem gemütlichen Cafè mir wird’s aber beinahe ungemütlich, so gelangweilt fühl ich mich hier. Gott sei Dank dauerts nicht mehr solange. Wenn ich jetzt heimgehe, bekommst einen Brief. herzl. Grüße
Dein
Gustl.
Sigmaringen, 14. III. 20
Meine liebe Luise!
Sage Dir meinen innigsten Dank für Deine hübsche Karte – Brief habe ich noch keinen bekommen.
Ich denke, daß ich ihn morgen erhalten werde. Wollte heute morgen auf die Post gehen, bin aber erst um 3 h nachmittags aufgestanden. Die vorletzte Nach kam ich überhaupt nicht ins Bett und von gestern auf heute hatte ich bis 2 h nachts zu fahren, kam hier um 1/3 h morgens an. Und da heute Sonntag ist, konnte ich ja liegen bleiben. Entschuldige bitte, wenn ich mit Bleistift weiterschreiben, aber ich bin so müd und matt, daß ich die Feder garnicht recht führen kann. Überhaupt, was mit mir los ist, weiß der Teufel. Ich weiß nicht, was ich will. War nachmittags spazieren und ging in’s Cafè ich glaub ich war keine halbe Stunde drin, ging ich schon wieder. Sende Dir auch gleich die Karte mit dem Brief. Ich hab sie im Cafè geschrieben. Es paßt mir auch hier nicht. Hab mir extra einheizen lassen, damit es etwas angenehmer ist. Unten im Restaurant spielen sie mit einer Akkordzither die so jämmerlich herauf klingt, das man weinen könnte. Ich glaub mich hat die Krippe erpackt. Kopfweh und der Magen tut mir schon den ganzen Tag weh. Aus dem Schwitzen komm ich nicht heraus, trotzdem es hier in der ganzen Gegend so kalt ist. Jetzt wäre ich schon froh, wenn ich bald heimkomme. Wenn Du nicht fortfahrst komme ich vielleicht am Sonntag schon heim. Gegenüber meines Zimmers liegt das Schloß Sigmaringen auf einem riesigen Felsen. Obwohl es so majestätisch schön ist empfinde ich keine Freude, es länger anzusehen. Ich bin ganz gleichgültig. Wenn ich nur bei Dir sein könnte, vielleicht wäre mir anders. Du lachst vielleicht, Luise, aber ich fühle es ganz genau, daß Du mir fehlst. Es wäre alles so schön hier. Überall, wo man hinkommt, eigenartige Schönheiten, in jedem Städtchen, jedes seine Reize. Aber so allein und verlassen, kann man für nichts empfinden. Komme Dienstag oder Mittwoch an die Schweizer Grenze, an den Bodensee. Die kleinen Orte lasse ich alle abseits. Besucht nurmehr Städte mit mindestens 3 Kunden, damit ich möglichst bald heimkomme. Habe immer ein Gefühl, als würdest Du bei meiner Heimkehr noch fremder sein als das Erste mal. Luise – ich bitte Dich, nimm Dich zusammen, etwas mehr Liebe darfst Du schon haben als letztes mal, wenigstens mehr Freude. Man freut sich, um heimzukommen und da – es wird nicht erwiedert. Es schmerzt einem, Gedanken kommen, die man nicht gern hat, aber es ist so, sie sind nicht zu verhindern. Also, versprich mir’s, daß es diesesmal anders sein soll. vielleicht kann ich Dir bis dorthin genaue Zeit angeben, daß Du mich vielleicht abholen würdest. Darf ich Dich darum bitten? Nun meine liebe Luise sei herzlichst von Deinem Verlassenen gegrüßt und geküßt und schreibe bald, Dein
Dich liebender
Gustl.
Herzli. Grüße an alle! Auf Wiedersehen.
Quer an den Rändern:
Jetzt gehts dahin in die Welt der Träume. Wenn ich nicht träume, dann phantasiere ich.
Wünsche Dir baldigste Besserung hoffentlich geht es Dir nicht so schlecht wie mir.
Absender. Memmingen Hauptpostlagernd.
Saulgau, den 17. III. 20. 12 h Nachts
Liebe Luise!
Vor allem vielen herzl. Dank f. Deine beiden Briefe. Endlich ist der erste auch in meinen Händen.
Beide zugleich, nachdem ich meine Briefe in Sigmaringen aufgegeben hatte, in Empfang genommen. Auch noch vielen Dank für Deine Aufmerksamkeit für die Fleischmarken. Arme Luise, Du tust mir leid, könnte ich nur helfen, warst wieder so krank. Da bin ich mit meinen Alltagsschmerzen still und jammere nicht mehr. Ich fühle mich zur Zeit wieder sehr wohl, nur etwas aufgeregt, sogar sehr aufgeregt. Das macht das Erwarten auf ein Heimkommen. So ist’s nichts, muß ich also sobald wie möglich heim. Wir können mal ein einem Sonntag fortfahren, das kann unter Umständen auch schön sein. Wenn ich heimkomme, werde ich Dir vorher telegraphieren, damit Du mich gleich am Bahnhof in Freuden empfangen kannst. Natürlich wenn Du gut beisammen bist und Dir nichts fehlt. Erwarte sowieso noch eine Antwort von Dir, auf mein letztes Schreiben. Hoffe es in Memmingen zu erhalten.
In Bademützen oder Ledertaschen sieht’s hier schlecht aus, überhaupt nichts da. Freue mich für Dich, daß Dir H. L. so schöne Schuhe gemacht hat. In München gehts ja wieder lustig zu, was? Luise, gib obacht und komm keinem Tumult zu nahe.
Ich schreibe nicht mehr viel, da ich alles andere mündlich erledigen möchte. Hab jetzt eben meine geschäftlichen Schreibarbeiten erledigt u. Dir noch einige Zeilen gewiedmet. Bin hier um ½ 11 h angekommen, direkt zwischen der Badischen und Schweizer Grenze bin ich heute gewesen. Bin ununterbrochen seit morgens 10 h auf der Fahrt. Nun erwarte ich noch diese paar Tage, in der Hoffnung, daß wir uns bald wiedersehen und zwar froh und gesund um glückliche Tage zu erleben. Es grüßt und küßt Dich herzlichst Dein treuer Gustl.
Herzl. Grüße an Alle.
Entschuldige das Geschmier.
Tyrlaching, den 6. IV. 20.
Liebe Luise!
Sitze hier in Tyrlaching, bei langweiligem Regenwetter. Wollte Dir gestern schon schreiben, bin aber so müd angekommen, daß ich schon um 7 h schlafen ging. Machte nämlich eine Fußtour von Mühldorf bis Tyrlaching, von morgen 9 h bis abend ½ 6 h fortwährend unterwegs. Geschäft ist nichts los. In Mühldorf wie in Neumarkt und Gangkofen kein Stück verkauft. Jetzt tue ich mir hier in Tyrlaching noch ein paar gute Tage auf, dann gehts wieder heim und die alte Leier geht wieder von vorne an. Mußte am Freitag früh wegen kurzer Zeit gleich vom Südbahnhof wegfahren, wenn Du mich an der Hackerbrücke in dem Tyrlachinger Zug suchtest, dann bitte ich Dich vielmals um Entschuldigung. Wie gehts Dir denn Gesundheitlich? Wünsch Dir das Beste. Wollte heute am Sonntag zum Hamstern gehen aber es regnet fortwährend. Das wäre heute ein gemütlicher Sonntag in der Thalkirchner- oder Schießstättstr. Nun ja es wird schon wieder kommen; Du bist auch froh, wenn Du mich Plaggeist nicht fortwährend am Hals hängen hast. Dachte schon, Du würdest unverhofft als gestern abend kommen, aber diesen Gedanken hatte ich gleich wieder verworfen, denn das Wiedersehen wäre Dir zu schnell, Dir gefällt es besser, wenn es länger hergeht. Ich bin heute direkt schreibfaul überhaupt faul. Ich bin von gestern noch so müd. Der nächste Brief wird länger und schöner, ganz bestimmt. Oder ich komme selbst.
Quer an den Rändern:
Verlobe Dich inzwischen nicht und fange mit dem Mann in der gelben Jacke, den ich damals gesehen habe nichts an.
Sei mir bitte über meine Witze nicht böse und sei herzlichst gegrüßt und geküßt von Deinem
Gustl.
Bitte lasse mir auch einige Zeilen zukommen.
Grüße an Alle: Familie Rittler & Kiesl.
Bonn a/ Rhein, den 16. V. 20.
Meine liebe Luise!
Vielen herzlichen Dank für Deine treue Kameradschaft und Liebe. Der Abschied war mir schwerer als je. Ich hab gar keine rechte Lebensfreude. Wäre am liebsten wieder umgekehrt. Diese Nacht konnte ich wenigsten schlafen. Bin in Ulm nachts 12 h angekommen und hatte morgens ½ 5 h erst wieder Anschluß. In Stuttgart fuhr ich dann erst wieder um 4 h nachmittags weiter, um dann die ganze Nach zu benützen, damit ich wenigstens bis Samstag an mein Ziel komme. Kam also in Koblenz morgens 4 h an und hielt mich dort im Bahnhofrestaurant bis morgens 8 h auf um dann mein Glück zu probieren.
Aber es war das Gegenteil. Keine einzige Bestellung. Konnte mich schon wieder auf die nächste Fahrt bereitmachen, die mein jetziger Aufenthalt ist. Besuchte gestern noch eine Firma, bei der es mir ebenso ging. Man verliert den Mut, die Freude und geht mit schwerem Herzens umher, wenn die Sache nicht anders wird, muß ich den Heimweg antreten. Noch dazu diese Preise. ein Mittagessen 15 – 20 Mk. Ein Zimmer 15 Mk für eine Nacht. Vor Engländer, Americanern und Franzosen wimmelt es hier grad. Man muß so vorsichtig sein beim überqueren der Straßen die Autos, Wägen und Reiter stehen oft fünf und sechsfach hintereinander. Dann dieses Getöse und Gebrüll. Hier, wo ich mich eben niedergelassen habe ist es ruhig und schön. Nur eine Marschmusik tönt von einer Straße her. Einen Katholischen Tag feiern Sie hier. Die Menschen sind noch nicht vernünftig geworden. Ich sitze hier in einer Anlage so Art Bavariaring; Es ist eben 12 h mittag und man kann mit Ruhe schreiben. Denn hier kommen ganz wenig Passanten. Ach glücklich wär ich, wenn ich bei Dir sein könnte um mein Herz auszuschütten. Ich habe mich erst jetzt erkannt, dachte immer ich sei leichtsinnig, aber es ist mir nicht möglich, ich kann den Gedanken nicht losbringen, was sein wird und was noch alles kommt. Du wirst jetzt schon an Deinem Ziel angekommen sein. Laß Dirs gut gehen, und mach Dir wegen mir keine Gedanken. Vielleicht kommt doch noch eine Rettung. Habe heute telegraphiert um Geld, bin neugierig was für eine Antwort kommt, da ich noch gar keinen Auftrag habe. Wenn ich mich nicht plamiert, vor allen Bekannten und Angehörigen sehen würde, wäre ich schon von Coblenz aus wieder heimgefahren. Aber meine Gefühle lassen es nicht zu. Nicht wahr, Luise Dir darf ich es doch sagen. Bitte, bitte, sag niemand was, wie es mir geht, es hilft mir doch niemand, im Gegenteil, sie lachen vielleicht, und freuen sich eher, statt daß sie einem behilflich wären.
Auch Deiner Mutter nicht. Ich kann es Dir garnicht schildern, wie der Schmerz ist, den man auszustehen hat. Dann muß man sich wieder beherrschen und ein liebenswürdiges Gesicht machen, hinter dem die Leidensmiene steckt.
Nicht wahr, Du verstehst mich, Dir kann ich mich anvertrauen. Mein Herz tut mir weh, wenn ich daran denke, wie schön es war, wie ich bei Dir war. Du bist ja so brav und gut. Wenn es in meiner Macht stünde, Dich glücklich zu machen, so würde ich keine Minute zögern. Immer höre ich die Worte Deiner Großmutter, und ich schäme mich, ihr recht geben zu müßen. Aber ich kann nichts dafür, es ist der Wille, zu leben und sich ehrlich durchzubringen. Vielleicht bringe ich’s doch soweit, um einem reinen, lieben Wesen die Hand zu reichen und ihr das zu bieten was ihr gebührt. Sonst hat ja das Leben keinen Zweck, dann würde es für mich nicht mehr so lange dauern. Gestern nachmittag stand ich am Rhein, konnte kein Gefühl der Freude in mir finden, es standen mir Tränen in den Augen. Nimm es mir nicht übel, aber es ist halt so, ich kann nicht anders. Nun schließe ich mein Schreiben, will Dir nochmals für Deine Güte und Hilfe danken, daß Du mich am Bahnhof begleitetest.
Suchte, als der Zug durch die Brücke fuhr, alles ab, aber umsonst war es, ich konnte Dich nichtmehr finden. Bleibe gesund, erhole Dich gut und schreibe mir bitte recht bald. Bitte, sage auch Deiner lb. Mutter nichts von dem, was mich bedrückt. Sei nun recht herzlich gegrüßt und geküßt und denke an Deinen treuen Freunde, der Dir alles Gute und Schöne wünscht. In Liebe
Dein
Gustl.
entschuldige die Schrift.
München, den 4. VII. 21.
Liebste Luise!
Vor allem danke ich Dir herzlichst für Deine hinterlassenen Zeilen: Es ist nichts Außergewöhnliches vorgekommen, aber ich habe Lust, Dir deshalb doch zu schreiben. Jetzt würden wir gerade in Tegernsee oder sonst irgendwo sein und unsere nächste Tageswanderung besprechen. Ach wie schön war es doch gewesen! Aber ich freue mich, daß Du wenigstens ein kleines Vergnügen hast. War heute Abend bei Deiner Mutter, da ich umsonst gewartet hab, dachte mir schon, daß Du fort wärst, weil auch Mittag niemand kam.
Flocki mußte also allein daheim bleiben. Dafür wurde er eben entschädigt, denn wir machten gerade vorher mit Deinen guten Schmankerln gemeinsames Soupeè. Wenn es Dir dort gefällt, dann bleibe Freitag auch dort und teile mir Deine Ankunft mit, damit ich Dich abholen kann. Vielleicht auch, wenn Du Mittags ankommen würdest. Freue mich auf den kommenden Sonntag, obwohl noch lange hin ist, aber diese grausame Woche (für mich) wird auch vergehen. Gehe morgen wahrscheinlich zu Deiner Mutter und hoffe, daß Du schon was hören lassen hast. Hoffendlich bekomme ich auch einige Zeilen von Dir für die ich Dir jetzt schon herzlichst danke. Entschuldige daß ich mit Bleistift schreibe, aber ich kann meine Gedanken schneller aufs Papier bringen als mit der Feder. (Stenographie schwach) Nun wünsche ich Dir recht viel Vergnügen und das schönste Wetter und freue mich auf ein frohes Wiedersehen. Hoffentlich erreichen Dich meine Zeilen, daß Du nicht morgen schon wieder in München sitzt.
Sei also recht herzlichst gegrüßt und denke, ich wäre bei Dir.
Dein
Gustl.
[eine Zeile in Steno!]
Extra Grüße an Fräulein Zaschka!
Hat noch gedauert mit dem Heiraten, aber zu guter Letzt!
